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81. Hackfleisch und Kleinholz

Die Sekunden verrinnen, als der Rochen näher kommt. Die CHARMION beachtet er zunächst überhaupt nicht, sondern er schießt auf den flachen Schiffsrumpf des Saurierfängers zu - und verfehlt ihn! Er unterschwimmt ihn einfach. Vielleicht kann er ihn nicht mit dem assoziieren, was immer ihn angelockt hat. Hoffentlich kommt er jetzt nicht auf die Idee, sich mit uns zu befassen!

Aber in den nächsten Sekunden sehen wir schon, daß die Granitbeißerinnen offenbar genau mit diesem Verhalten gerechnet haben: Urplötzlich wird die immer noch schnelle Bewegung des Tieres gestoppt. Gleichzeitig macht das Schiff einen deutlich sichtbaren Ruck.

"Ob das derselbe Riesenrochen ist, mit dem wir schon ..." überlegt Solzbach, aber Cohäuszchen unterbricht ihn: "Guck lieber genau zu! Da geht's jetzt rund! Da kannst du was lernen!"

"Was soll ich da denn lernen können, Günther?" fragt Solzbach zurück.

Die Harpunenseile, die das Tier gebremst haben, können wir nur sehr undeutlich sehen. Es werden offenbar weitere vom Schiff heruntergeschossen, um den Rochen möglichst gegen jeden Ausbruchsversuch zu sichern.

Dieser aber denkt gar nicht daran, auszubrechen. Nach einer Schrecksekunde geht er zum Angriff über. Mit wilder Entschlossenheit wuchtet er sich selber gegen die Floßunterseite, von der er doch gar nicht wissen kann, welche Art von Feind sich dahinter verbirgt. Gleichzeitig hören wir über die immer noch leise eingestellten Außenmikrophone ein tiefes, mehr unwilliges Brummen.

Wieder macht der Saurierfänger einen harten Ruck. Es sieht nicht so aus, als würde diese massige Holzkonstruktion mit solchen Stößen ernsthaft beschädigt werden können. Als der Rochen wieder ausweicht, wird er von den Leinen der Harpunen festgehalten. Allmählich verfärben die ersten trüben Wolken das Wasser - Blut und Exsudate. Aber die Verletzungen scheinen nicht tief zu sein.

Inzwischen können wir allmählich die Abmessungen des Tieres genauer abschätzen. Der scheibenförmige Hauptkörper hat einen Durchmesser von etwa 80 Metern und ist vielleicht bis zu 4 Meter dick. Sonst haben wir von seiner Anatomie noch nicht viel gesehen. Diese Abmessungen entsprechen einem Körpergewicht von 8 Tausend bis 12 Tausend Tonnen! Das ist sogar für die Verhältnisse in der Welthöhle groß. Kein Wunder, daß ein solches Tier ein lohnendes Ziel für eine Fleischfang-Expedition ist. Andererseits - welche immensen Menschenmengen sollen denn davon satt werden? Meines Wissens wohnen auch in den größten Siedlungen der Granitbeißerinnen - die wir damals nicht zu Gesicht bekommen haben - nicht mehr als einige Tausend Menschen.

Ist mir dieser Widerspruch eigentlich schon bei meinem ersten Welthöhlenaufenthalt aufgefallen? Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe jedenfalls keine protestierende Leserpost deswegen bekommen.

Und was das Sattwerden betrifft - wovon wird dieses Tier satt? Wieder ein Hinweis auf die Verletzlichkeit der Welthöhle: Selbst, wenn dieses Tier einen geringeneren Grundumsatz pro Kilogramm Körpergewicht hat als wir, was ja für viele Welthöhlenbewohner zutrifft, braucht es ein großes Einzugsgebiet, um genug Nahrung zu finden, sei es nun tierische oder pflanzliche Nahrung.

Rammen des Saurierfängers von unten und Losreißversuche wechseln sich ein paarmal miteinander ab. Das Wasser wird dadurch so aufgewühlt, daß sogar die CHARMION, die im Moment sich wieder auf 250 Meter entfernt hat, leicht bewegt wird. Und bei den leichten Bewegungen bleibt es nicht: Bei einem der Ausreißversuche rammt der Rochen uns. Der Stoß ist heftig genug, uns alle taumeln zu lassen. Darüber hinaus ignoriert der Rochen die CHARMION völlig.

Der Saurierfänger schwankt stark. Das Schauspiel ist so spannend, daß wir fast die Auftauchankündigung aus der Zentrale überhören. Aber Wellington hat recht: Getaucht kriegen wir nur die Hälfte des Schauspiels mit.

Das Bild an der Oberfläche ist völlig anders als noch eine Minute zuvor: Die Wasseroberfläche ist bewegt, als befände sich der Saurierfänger in einem Sturm auf einem kleinen Meer, wo die Wellen kurz und hart sind. Außerdem schwankt das riesige Schiff stark, und wir sehen, wie die Segel dadurch gebeult werden. Vielleicht ist das der Zweck der vollen Besegelung: Das Schiff wird dadurch stabilisiert. Das ist ja schließlich auch unseren Seefahrern früherer Generationen bekannt gewesen: Bei Sturm ein Topsegel gesetzt zu lassen erscheint nur auf den ersten Blick widersinnig und gefährlich, weil das Schiff ja durch das hohe Drehmoment erst recht zum Kentern gebracht werden könnte. Das ist zwar richtig, aber der Luftwiderstand eines gesetzten Topsegels dämpft alle Bewegungen des Schiffes, Rollen wie Stampfen. Und das kann unter gegebenen Umständen das Wichtigste sein.

Der Saurierfänger ist auch nicht mehr menschenleer. Im Gegenteil. Überall an Deck und in der Takelage können wir sie sehen. Ganz besonders schwer wird an den Harpuniergeräten gearbeitet. Schwer und trotzdem routiniert. Die haben genau diese Art der Auseinandersetzung erwartet, denke ich mir.

Meine Kollegen sehen ganz genau hin. Für sie ist es das erste Mal, daß sie Granitbeißerinnen zu sehen bekommen. Und es handelt sich ohne Zweifel um Granitbeißerinnen. Ich erkenne die übliche Lederwams - Lederstreifenrock - Bekleidung. Ich sehe, daß auch Männer an Bord sind, und das diese die schmutzigen und schweren Arbeiten machen müssen. Wo immer jemand rumsteht und offenbar Kommandos oder Anweisungen von sich gibt, ist es eine Frau. 'Rumstehen' ist allerdings im Moment nicht mehr das richtige Wort - so heftig, wie sich das Schiff bewegt, müssen sich alle darauf festhalten.

Wir müssen unsere Aufmerksamkeit zwischen dem Geschehen über Wasser und unter Wasser teilen. Unter Wasser der Kampf des Rochen mit dem Schiff, und über Wasser die Auswirkungen davon. Acht- bis zwölftausend Tonnen Muskelfleisch, die ziemlich koordiniert handeln, das ist kein ganz einfacher Gegner. Auch nicht für diesen großen Saurierfänger, der nicht so viel wiegt wie der Angreifer.

Wir können nicht sehen, was sie jetzt mit den an den Mast genagelten Menschen getan haben.

Ich versuche immer noch, rauszukriegen, ob dieser Saurierfänger größer als 'mein' Saurierfänger, auf dem ich Charmion kennengelernt habe, ist, aber ich gelange zu keinem definitiven Ergebnis. Ist zu lange her, die Erinnerungen sind zu verschwommen. Jedenfalls gehören beide zu den größten Schiffen der Granitbeißerinnen.

Offenbar sind Harpunenleinen gerissen oder Harpunen aus dem Fleisch des Rochen ausgerrissen. Die Trübung des Unterwasserbildes nimmt zu. Hektik auf Deck - ich erkenne Harpuniergeräte, die unklar sind: schwere Beschädigungen durch unerwartet hohe mechanische Belastungen.

Ist dieses Schiff eventuell an einen zu großen Gegener geraten? Sind sie in Schwierigkeiten?

Noch ehe ich meine Vermutungen formulieren und den Kollegen mitteilen kann, werden sie bestätigt. Bei einer besonders heftigen Wendung taucht eine Flanke des Rochen zwischen uns und dem Saurierfänger aus dem Wasser auf. Diese ganze Körperseite schlägt auf Deck auf. Dann taucht der Rochen wieder ab.

Dabei sind eine ganze Reihe Harpuniergeräte kaputtgeschlagen worden. Das erkennt man sogar, wenn man mit Einzelheiten der Technologie der Granitbeißerinnen nicht vertraut ist. Und ebenso erkennt man zwischen den zersplitterten Trümmerhaufen blutige und schleimige Flecken. Da muß wohl jemand gestanden haben, als das passierte.

Die Rochenflanke hat auch auf Wanten geschlagen, die dadurch Schäden in der Takelage verursacht haben. Nicht nur das: Der hintere Mast scheint angeknickt und wird nur noch durch die Takelage und die anderen Masten gehalten.

Der Saurierfänger ist gar nicht mehr seetüchtig!

"Ganz schöner Flurschaden!" erkennt nun auch Edwin, "Herwig, meinst du, daß sie es schaffen?"

"Ich weiß nicht."

"Am Anfang von deinem Buch hast du doch auch so einen Kampf beschrieben!"

"Ja. Der war auch ziemlich knapp."

"Waren die damals überrascht über die Größe des Gegners?"

"Schien mir nicht so. Das Tier wurde damals ja zum Saurierfänger gelockt. Das hätte man ja abbrechen können. Jederzeit. Nein, ich glaube, die wollten damals diesen fast überlegenen Gegner angehen. Und die hier wollen es auch."

"Sportgeist?" vermutet Solzbach.

"Vielleicht. Aber sie verstehen unter Sport auch etwas anderes als wir. Da, seht mal dahin!"

Und alle sehen es: Eine Granitbeißerin ist über Bord gegangen und schwimmt in die Tiefe, in jeder Hand ein Schwert. Wir können kaum Einzelheiten erkennen, so dreckig ist das Wasser inzwischen. Die Ultraschallbilder sind inzwischen klarer als die optischen Aufnahmen. Die Frau erreicht den Rochen genau unter dem Schiff, als er eine kurze Erholungspause einlegt und zu überlegen scheint, wo er sich jetzt hinwenden soll. Dann wird die tapfere Granitbeißerin durch seine weiteren Bewegungen unseren Blicken entzogen.

Der Rochen ruckt wieder nach oben, schlägt den Schiffsboden des Saurierfängers erneut. Dann flieht er horizontal nach Westen. Er wird dabei nicht gebremst - also sind offenbar alle Harpunenleinen ausgerissen.

"Wo ist den ..." fragt Cohäuszchen, und Gerald deutet auf einen anderen Bildschirm: "Da! Da trudeln zwei Metallstücke in die Tiefe!"

"Puh." sagt Cohäuszchen, "Die hat's hinter sich."

Ich muß an Charmion denken. Sie hatte einen Saurier einmal auf diese Weise angegriffen und überlebt.

Niemand an Deck des Saurierfängers nimmt Notiz von der offenbar verlorenen Kampftaucherin. Sie starren in die Richtung, in die der Rochen verschwunden ist. Wir können es auf unseren Ortungsschirmen wahrscheinlich besser erkennen: Er kommt zurück.

Ein Tier dieser Größe ist einfach nicht gewöhnt, Feinde zu haben. Es wird keine Vorsicht walten lassen, bloß, weil es bereits ein paar Verletzungen hat. Und die Granitbeißerinnen werden keine Vorsicht walten lassen, bloß weil das Schiff schon ein bißchen beschädigt ist. Die Auseinandersetzung geht weiter.

Eigentlich kämpft der Rochen sehr ineffektiv. Feinden, die so an der Wasseroberfläche schwimmen wie dieses Schiff, ist er wohl noch nicht begegnet. Die wirksamsten Methoden kennt er nicht. Ein Tier seiner Größenordnung müßte den Saurierfänger nahezu umwerfen können. Auch eine Wiederholung des Flankenschlages von vorhin wäre sehr wirksam. Statt dessen versucht er, den Saurierfänger immer wieder von unten zu rammen. Dadurch gibt er aber der Besatzung Gelegenheit, neue Harpunen herunterzubringen. Er wird immer mehr Blut verlieren, wenn er so weitermacht. Und das Gefüge des Schiffsbodens wird immer mehr gelockert werden.

Wellington hat die CHARMION jetzt in eine Entfernung von 400 Meter von der Kampfszene gebracht. Zwar wäre eine Wiederholung durch den versehentlichen Rammstoß, den der Rochen vorhin der CHARMION erteilt hat, nicht schlimm, aber wozu blaue Flecken riskieren, wenn es nichts bringt? Die optische Sicht unter Wasser ist jetzt durch das viele ausgetretene Blut so sehr gestört, daß wir von den Vorgängen unter Wasser nur noch mit Radar und Echolotung etwas sehen können. Dann kann auch ein bißchen mehr Abstand nicht schaden.

Dafür werden die Schwimmtanks voll angeblasen, um möglichst viele Außenkameras weit über die Wasserlinie zu bringen. Allerdings darf niemand aussteigen, um sich den Kampf direkt anzusehen: Erstens soll man von dem Saurierfänger aus nicht sehen, daß sich in diesem komischen, schwimmenden Ding Menschen aufhalten, und zweitens könnte der Rochen durchaus auch diese 400 Meter bis zu uns ausreißen und uns dabei erneut einen Stoß verpassen. Nein, es ist besser, wenn wir wie ein plötzlich aufgetauchtes Riff aussehen. Wenn der Kampf da drüber vorbei ist, und der Saurierfänger kommt näher, um sich das Riff anzusehen, dann verschwinden wir eben wieder von der Oberfläche und erzeugen so eine neue Legende in dieser Welt.

Noch weiter weg können wir nicht, weil es immer noch diesig ist. Wir würden dann gar nichts mehr sehen.

Wir sehen, daß auf dem Saurierfänger Feuer ausgebrochen ist - vermutlich ein zerstörter Küchenofen, dessen Inhalt durch die Erschütterungen weit verteilt worden sind. Das Feuer breitet sich nicht sehr entschieden aus, vermutlich, weil an Deck schon alles triefend naß ist. Andererseits können wir nicht erkennen, daß jemand mit Löscharbeiten beschäftigt ist. Das gesamte Personal ist schon anderweitig beschäftigt!

Plötzlich beugt Gerald sich nach vorne: "Da kommt ja noch einer!"

"Noch ein was?" fragt Günther.

"Genauso ein Echo wie dieser Rochen vorhin! Und aus derselben Richtung."

"Auch genauso schnell?" frage ich.

"Schneller. Fast 80 Kilometer pro Stunde."

"Dann ist er in fünf Minuten da. Mmh."

In der Zentrale hat man den zweiten Rochen auch bemerkt. Amerlingen fragt mich über das Interkom, was ich davon halte. Da kann ich allerdings auch nichts sagen. Entweder, der zweite Rochen ist genauso angelockt worden wie der erste, oder er will dem ersten helfen - wie immer er von dessen Situation erfahren haben mag - oder er will den ersten angreifen. Um nur einige der Möglichkeiten aufzuzählen.

"Der ist nicht ganz ruhig." sagt Gerald.

"Der andere Rochen?"

"Ja. Ich kann aber nicht sagen, ob diese Geräusche eine Begleiterscheinung seines hohen Tempos sind, oder akustische Äußerungen."

Wie kühl wir darüber reden, denke ich. Vielleicht handelt es sich um Wutschreie, die der zweite Rochen ausstößt, während er dem ersten zur Hilfe eilt. Direkt können wir das nicht erkennen - es hört sich auch nur wie ein tiefes Knurren an, das sich sowieso nicht vollständig von den Geräuschen des Kampfes in unserer Nähe trennen läßt.

In den wenigen Minuten, die der zweite Rochen braucht, um anzukommen, hat dieser hier Gelegenheit, dem Saurierfänger weitere Schläge zu versetzen. Aus Störechos schließen wir, daß bereits Splitterholz vom Saurierfänger nach allen Seiten davonschwimmt. Dann ist der andere endlich da.

Er ist unwesentlich kleiner - sein ebenfalls fast kreisförmiger Rumpf hat 75 statt 80 Meter im Durchmesser. Genau kann man es nicht schließen, da wir den zweiten nicht sehen können.

Der zweite geht den Saurierfänger genauso an wie der erste - allerdings gleichzeitig. So ist es nicht klar, ob er den Saurierfänger oder den Artgenossen meint. Das Resultat ist, daß beide Rochen miteinander kollidieren, und zwar genau unter dem Rumpf des Schiffes. Das gibt einen unerwartet mächtigen Stoß - wir sehen, daß die Scheibe des Rumpfes des Saurierfängers aus dem Wasser gehoben wird. Als sie wieder aufschlägt, stürzen Teile der Takelage auf Deck. Kurz darauf lodert der Brand an Deck heftiger auf.

Nun wird es unübersichtlich. Die beiden Rochen führen unter dem Saurierfänger so heftige und so schnelle Bewegungen aus, daß man kaum etwas erkennen kann. Dabei rammen sie den Saurierfänger wiederholt, und wir können nicht erkennen, ob es der Besatzung immer noch gelingt, gelegentlich erfolgreich Harpunen niederzubringen. Es sieht eher so aus, als ob nicht.

Wir können auch wieder die akustischen Sensoren auf die Innenlautsprecher schalten, ohne daß sich jemand über das Schreien der Gefolterten beschwert - die hört man nämlich nicht mehr. Was man hört ist der Wellenschlag, auch der an unser eigenes Boot, das ständige Bersten von Holz, das Prasseln des Feuers an Deck und das unterseeische Knurren der beiden Riesentiere.

Nun scheint das Feuer doch allmählich zu einem Problem zu werden - die heruntergestürzten Teile der Besegelung und der Takelage waren ja noch halbwegs trocken und gut brennbar, und die auflodernden Flammen haben jetzt auch die noch stehenden Teile der Besegelung erreicht. Das Feuer wird spektakulär - und niemand löscht es.

"Die sind in Schwierigkeiten!" sagt Cohäuszchen. Feststellung. Keine Schadenfreude. Aber auch kein Mitleid. Sie haben's ja so gewollt. Ich sehe mich um, aber ich kann die Gesichter kaum interpretieren. Wer ist bei diesem Kampf parteiisch? Bin ich parteiisch? Ich glaube nicht. Die beiden Rochen werden offenbar überleben, auch wenn der eine vielfach verletzt ist. Und sie haben ja auch nichts anderes zu tun als einander zu bekämpfen - wenn es das ist, was sie tun. In der Welthöhle ist alles möglich, und wenn mir jemand erzählte, daß die beiden coitieren, dann würde ich es auch glauben. Andererseits - sie versetzen dem Saurierfänger immer wieder mal einen Schlag gegen den Rumpf.

Der wehrt sich aber nicht mehr. Längst ist das Feuer so heiß geworden, daß der hohe Sauerstoff-Partialdruck der Atmosphäre die Feuchtigkeit der Dinge an Deck kompensiert. Das habe ich ja damals auch schon erlebt: Feuer in der Welthöhle kann sehr leicht außer Kontrolle geraten. Und dann ist plötzlich fast alles brennbar. Ich denke an die Menschen, die sie dort an die Masten genagelt haben: Die auch. Die haben's jetzt hinter sich.

Plötzlich taucht einer der Rochen ab. Er macht sich davon, nach Südosten, in die Richtung, aus der beide gekommen sind. Wir wissen nicht, welcher von beiden es ist. Er ist langsam, so, wie sich in den letzten Minuten die Bewegungen beider Rochen verlangsamt hat. Dieser Kampf muß viele Energieresourcen gekostet haben. Der abziehende Rochen ist kaum schneller als 20 Kilometer pro Stunde.

Wenig später folgt ihm der andere. Zurück bleibt das brennende Schiff. An Deck können wir niemanden mehr beobachten.

Langsam nähert die CHARMION sich wieder dem Geschehen, ohne zu tauchen. Die grauweiße Rauchsäule muß weithin sichtbar sein. Wenn dieser Vorfall in großer Entfernung passiert wäre, dann hätten wir eventuell erst durch das Feuer aufmerksam werden können.

Natalie betritt den Raum und geht auf mich zu: "Die Frau Rau ist im Moment bei ziemlich klarem Verstand. Sie will mit dir reden!"

"Was will sie denn?"

"Hat sie mir nicht gesagt."

"Hat sie das da eben verfolgen können?"

"Nein. Doktor Morton hielt es nicht für richtig. - Außerdem scheint sie sich im Moment nicht an das erinnern zu können, was sie in ihren Fieberphantasien gesagt hat. - Sie spricht jedenfalls nicht mehr davon."

"Naja," sage ich, "daß es keine Phantasien waren, haben wir ja nun gesehen." Ich werfe einen bedauernden Blick auf die Bildschirme - eigentlich wollte ich weiter verfolgen, was jetzt geschieht. Außerdem sehe ich ganz gerne lodernde Feuer. Aber Carola geht natürlich vor. Ich mache mich auf den Weg in die Krankenstation.


Copyright © Josella Simone Playton 2000-09-15 14:00:00



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