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37. Startup
Die Stille, als der Strom nach einigen Minuten schließlich ganz wegbleibt, hat etwas Endgültiges. Nur das Notlicht bleibt übrig. Die Bildschirme erlöschen. Der Rechner ist tot. Es ist, als ob man in ein Grab hineingestoßen wurde, und jetzt hat jemand hinter uns den Stein vor die Tür gerollt.
Was es genau war, wissen wir nicht. Ein Ventil zu den Primärkreisläufen. Druckabfall erzwingt sofort weitere drucksenkende Maßnahmen, damit der Reaktor nicht beschädigt wird. So etwas geht blitzschnell - dieser Reaktor ist sicher. Der Computer sorgt dafür.
Und ebenso sicher ist er jetzt nicht mehr in Betrieb.
"Exitus." sagt Fahlenbeek.
"Noch nicht." sage ich.
"Aber der Reaktor - und die Dateien, die beim Systemzusammenbruch nicht geschlossen worden sind ..."
"Das weiß ich nicht. Ein Echtzeitbetriebssystem sollte in dieser Hinsicht etwas robust sein!" sage ich. Glaube ich. Hoffe ich.
Das heißt - eigentlich muß es ja so sein: Selbst wenn dem Rechner erst eine Sekunde, bevor die Stromversorgung ausfällt, der entsprechende Hardware-Alarm gegeben wird, dann haben diese wahnsinnig schnellen Prozessoren noch Zeit genug für Milliarden von Befehlen - jeder von ihnen. Das sollte reichen, um alle Aufräumarbeiten innerhalb des Computers zu erledigen. Also sollte sich das System in einem halbwegs definierten Zustand befinden.
Carola ist über ihrer Tastatur zusammengebrochen und weint. Die, die sonst noch in der Zentrale sind, sind mucksmäuschenstill. Nein, stimmt nicht - da weint noch jemand. Und die meisten keuchen. Wie hoch wohl der Kohlendioxid-Gehalt schon angestiegen ist? Es wäre viel leichter, wenn wir es nur mit dem COzwei zu tun hätten, das wir selber ausatmen.
Dazwischen hört man auch das Geräusch tropfenden Wassers - einige von der Besatzung sind jetzt von vorne zu uns in die Zentrale gekommen. Sie sind pudelnaß - einziges Resultat der vergeblichen Bemühungen, das Ventil manuell zu schließen.
Plötzlich fällt mir ein, daß es noch einen Effekt gibt, der im Wettlauf mit anderen Effekten uns das Leben erst schwer und dann unmöglich machen wird: Das eindringende Wasser wird die Restluftmenge adiabatisch komprimieren. Das bedeutet Erhitzung - zusätzlich zu der von außen hereindringende Hitze. Wie das Ganze mit der Wärmekapazität des Schiffes selbst wechselwirkt, kann ich jetzt nicht überblicken.
Aber wieso ist es eigentlich so still geworden? Da fehlt doch etwas!
"Was wollen wir denn noch machen. Wir müssen Reaktor und Rechner hochfahren. Schaffen wir nie mehr rechtzeitig!" Fahlenbeek sollte eigentlich, seiner Führungsposition gemäß, etwas mehr Optimismus und Entschlossenheit zeigen, denke ich. Fällt denn niemandem außer mir die Stille auf?
In diese Stille hinein geht die Tür zwischen zentralem Niedergang und Zentrale auf. Natalie steht da, gebeugt, weil die Tür so schief wie alles andere ist. Wo war sie denn die ganze Zeit? Ist sie etwa unter dem Turmluk gewesen? Hat sie instinktiv den Platz gesucht, von dem man das Boot am schnellsten verlassen könnte - wenn man sich nicht gerade in 6700 Metern Tiefe befände, wie wir es tun, sondern an der Oberfläche?
"Was ist denn los?" fragt sie, auch außer Atem, "das Licht ging plötzlich aus. Und der Lärm da vorne hat auch aufgehört!"
Einen Moment brauchen wir, um zu begreifen.
"Natürlich," sagt Fahlenbeek, "das Ventil! Ein Ruheventil! Ohne Strom ist es zu!"
Ich balanciere mich über den schrägen Boden der Zentrale zu Carola hin, was durch die finstere Beleuchtung nicht unbedingt einfacher wird:
"Carola! Was ist denn? Heul doch nicht - die Tastatur korrodiert nur! Hast du nicht gehört, was sie eben gesagt hat?"
Carola blickt auf.
"Ja." fahre ich fort, "Du hast zwar das Herz des Schiffes angehalten. Aber die Pore ist zu - wir haben einen Aufschub!"
Sie scheint es immer noch nicht zu glauben.
"6700 Meter sind es bis nach oben. Ein Druck von 684 Bar - und wir sind immer noch stärker. - Du hast das Schiff gerettet, Carola! - Fürs erste, jedenfalls."
"Du Arschloch." sagt sie.
Unlogisch - Frauen. Das hat man davon, wenn man das Prinzip verfolgt, Frauen nicht zu sehr zu loben, oder wenigstens immer nur mit Einschränkungen: Sie wollen vorbehaltslos gestreichelt werden. Alle.
Aber vielleicht hat sie recht. Wir haben jetzt bloß ein bißchen mehr Zeit - aber ob die reicht, Reaktor und Rechner wieder anzufahren, und danach all die anderen Systeme des Schiffes? Ohne dabei das Ventil da vorne wieder aufzumachen?
"Hörst du," sage ich, "du mußt jetzt durchatmen. Du erstickst nicht, das kommt dir jetzt nur so vor. Wegen dem Kohlendioxid. - Wir schaffen es schon. Wir müssen es schaffen!"
"Wegen des Kohlendioxides." sagt sie, "Genitiv." Sie richtet sich wieder auf: "Ich weiß aber nicht, wie man den Rechner auf die Batterien legt."
Es ist fast schon wieder beruhigend: Wenn Carola einem die Grammatik korrigiert, dann ist sie noch nicht am Durchdrehen.
Dabei gäbe es Grund genug zum Durchdrehen. Ich stelle mir unsere Lage vor - wie sieht es jetzt von außen aus? Es sieht gar nicht mehr aus, weil die Außenscheinwerfer nicht mehr in Betrieb sind. Das Boot liegt auf dem Grunde einer völlig finsteren Höhle, auf sehr unebenem Untergrund, wie wir alle merken. Hier drinnen noch die Notlichter, ein Drittel des Bootvolumens voller urinwarmen Seewassers. Keine Klimaanlage in Betrieb, keine Ventilatoren. Dafür das Kohlendioxid aus dem Seewasser, das dabei ist, auch in die hinteren Räume zu dringen. Reaktor aus, Computer aus. Letztere sind teilweise schon unter Wasser. Unter Salzwasser. Und viele andere sensible Geräte auch. Nicht einmal eine Temperaturmessung kriegen wir jetzt noch von draußen.
Und die Trägheitsnavigation - behält die ihre Einstellung ohne Energie? Ich weiß es nicht. Ich sehe Wellington an. Alle sehen Wellington an. Der denkt nach, erleichtert wie wir alle, daß das Ventil da zu ist. Aber nur ein bißchen erleichtert. Kriegen wir das Boot wieder hin?
Ich spüre und rieche die Schweißfeuchte. Das würde eine funktionierende Klimaanlage niemals zulassen. Und das wird jetzt immer schlimmer werden.
Warum sind solche Unglücke immer von Schweiß und Dreck begleitet, frage ich mich. Dahinter muß sich ein universelles Prinzip verbergen - nur welches? Zunahme der Projektentropie? Theorie. Die Praxis ist das havarierte Boot. Ins Bett legen, ausheulen und das Unglück ignorieren - geht auch nicht: fast alle Kabinen sind überflutet.
Vielleicht, denke ich, kann man das Schicksal mit dem Murphy-Prinzip bestechen: Wenn wir das Boot wieder flottkriegen, dann müssen wir alles saubermachen - die ganze vordere Bootshälfte. Tausend Kleinigkeiten reparieren. Alle Textilien waschen. Alle Schränke umräumen. Wir alle werden tagelang beschäftigt sein. Das ist eine so ärgerliche Sache, daß es eigentlich eintreten muß.
"Wo ist der Kufferath?" fragt Wellington, "Ich glaube, wir kümmern uns zuerst und ganz schnell um den Reaktor."
"Wir sollten uns ganz schnell um den Rechner kümmern!" widerspreche ich, "Denn ohne den läuft nichts! - Auch nicht der Reaktor!"
"Ich möchte aber, daß wir zuerst den Reaktor hochfahren!"
"Geht doch nicht!"
"Homberg, noch gebe ich hier die Befehle!"
"Nein! - Sie geben hier die Befehle nicht! Jener brilliante Mitarbeiter, der den SISC-Dämonen lahmgelegt hat, der Phantomprozesse oder einen Shutdown starten kann, ob wir das wollen oder nicht, und der Ventile zu den Regelzellen aufmachen kann, ob wir das wollen oder nicht, und der das Boot zu einem Krüppel gemacht hat, der gibt hier die Befehle!"
Wellington sieht mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an. Alle anderen schweigen. Bin ich zu weit gegangen? Kommt jetzt ein Wutausbruch? Nein, offenbar nicht. Er ist nicht einmal wütend, oder er verbirgt das hervorragend. Er mißbilligt, allen deutlich sichtbar, mich, oder das, was ich gesagt habe.
Vielleicht war es tatsächlich nicht sehr geschickt, vor aller Ohren klar auszusprechen, daß wir eventuell einen gemeingefährlichen Saboteur an Bord haben. - Andererseits sollten doch alle gewarnt sein, oder? Der Saboteur weiß ja sowieso, was er tut.
Kufferath drängt sich nach vorne. "Homberg, reg dich nicht auf!" sagt er, "Natürlich kann man den Reaktor ohne den Bordrechner hochfahren!"
"Das wäre mir neu!"
"Habt ihr in München denn nicht die Pläne des Schiffes gelernt? - Der Reaktor hat einen eigenen Computer, genau für den Zweck des Hochfahrens!"
"Das ist mir neu." sage ich. Nicht direkt kleinlaut - es ist mir tatsächlich neu. Aber ist das meine Schuld? Es ist jetzt nicht die Zeit, darüber zu diskutieren, daß wir, sogar bis zu diesem Zeitpunkt, durchaus nicht alle Einzelheiten des Schiffes und seiner Konstruktion kennenlernen konnten. Außerdem habe ich im Moment den Eindruck, daß die Kenntnis dieses dedizierten Computers hier an Bord nicht sehr verbreitet ist - ich brauche mir nur die anderen Gesichter anzusehen: Wo kämen denn sonst die Ausdrücke von Verwunderung und Erleichterung her?
Wellington blickt mich immer noch an: "Dürfen wir also den Reaktor hochfahren - mit Ihrer gütigen Genehmigung, Herr Homberg?"
"Ja, wenn Herr Kufferath sagt, daß das möglich ist ..."
Wellington sieht Kufferath an. "Kein Problem," sagt dieser, "der Reaktor ist vollkommen in Ordnung. Sauber heruntergefahren. Zwar schnell, aber sauber. Kein Grund zur Aufregung."
'Kein Grund zur Aufregung', denke ich: ein Drittel des Bootes voll Wasser, in 6700 Meter Tiefe, aber kein Grund zur Aufregung. Naja.
Kufferath und Colbert verschwinden nach hinten, in ihre Maschinenräume. Andere vom nautischen Personal folgen ihnen. So ungefähr kriege ich mit, was geschieht: Jetzt müssen erst einmal von Hand alle möglichen Verbraucher von der Stromverteilung getrennt werden. Dann, wenn der Reaktor tatsächlich wieder laufen sollte, kann man sukzessive alles wieder zuschalten, jeweils so, daß Computersteuerung noch nicht notwendig ist. Oder erst der Computer und dann die anderen Verbraucher? Ich weiß das jetzt nicht.
Amerlingen und Fahlenbeek unterhalten sich, an den widersinnig schiefen Koppeltisch gelehnt, über das Wiederanfahren des Reaktors. Ich höre genug, so daß ich begreife, wie das Wiederanfahren funktionieren soll.
Das mit dem eigenen Computer für den Reaktor war natürlich übertrieben - hätte mich auch gewundert. Es gibt Pumpen, mit denen man die gestaffelten Druckwerte für die verschiedenen Schwer- und Leichtwasserkreisläufe aufbauen kann. Diese Pumpen kann man im allerschlimmsten Falle sogar von Hand bedienen - nämlich, wenn in den Batterien kein Funken Energie mehr übrig ist. Man muß nur sehr lange kurbeln.
Damit das funktioniert, müssen sämtliche Stellglieder, die normalerweise vom Computer gesteuert werden, manuell blockiert werden. So etwas ähnliches wie Kaskaden von Überdruckventilen sorgen dann dafür, daß nirgends die Differenzdrucke zu groß werden.
Wenn der Schwerwasserdruck im Primärkreislauf groß genug ist, dann fängt die Fleischmann-Pons-Reaktion an und die Temperatur im Primärkreislauf steigt. Bis dahin ist es noch einfach, und man kommt im Prinzip ohne Strom aus.
Nun aber, sowie der Reaktor heiß wird, wird es gefährlich: Er darf ja nicht zu heiß werden, weil sonst das aktive Material ausheilt und der Reaktor dadurch unbrauchbar wird. Gerade aber dann, wenn ein Fleischmann-Pons-Reaktor anfährt und noch nicht seine Betriebswerte erreicht hat, ist er sehr unstabil: Temperaturerhöhung führt zu Druckerhöhung führt zu Erhöhung der Reaktionsrate führt zu Temperaturerhöhung. Dazu kommt, daß die Turbinenkreisläufe noch nicht so richtig arbeiten und den Reaktorkern noch nicht kühlen. Auch die Umwälzpumpen des Primärkreislaufes arbeiten noch nicht. In dieser Situation ist eine schnelle Druckregelung erforderlich. Normalerweise kann das nur ein Computer.
Wenn man es aber doch manuell machen muß, dann müssen Präzisionsüberdruckventile den Druck im Primärkreislauf auf einen Wert begrenzen, bei dem nur eine sehr geringe Energieerzeugung pro Volumeneinheit des aktiven Materials möglich ist. Dann ist es möglich, daß der Reaktor aus eigener Kraft seine Betriebstemperatur erreicht, und daß dann die natürliche Konvektion der verschiedenen Kreisläufe die erzeugte Wärme abführt. Mit minimaler Leistung läßt sich dann eine der Turbinen betreiben, und mit dem Strom kann man dann die Umwälzpumpen des Primärkreislaufes in Betrieb nehmen und so der Gefahr lokaler Überhitzungen entgegenwirken, und dann hat man noch ein bißchen Strom übrig.
Je nach Geschick desjenigen, der den Reaktor manuell hochfährt, werden dabei mehr oder weniger große Mengen Schwerwasserdampf in die Schiffsatmosphäre abgelassen - was für uns nicht weiter schlimm ist - und vielleicht Teile des aktiven Materials beschädigt - was sehr schlimm ist. Außerdem hat man nur die geringe Leistung. Der manuelle Betrieb des Reaktors sollte deshalb nur ganz kurzzeitig erfolgen.
Und es gibt noch einen Grund, den manuellen Betrieb nicht zu lange aufrecht zu erhalten: Man hat noch keine Energie für die Schwerwasserproduktion übrig, während man ja eventuell eine ganze Menge davon durch die Überdruckventile verliert, und die Heliumentfernung aus dem Primärkreislauf ist auch noch nicht möglich. Beide Effekte begrenzen den manuellen Betrieb des Reaktors ganz beträchtlich, aber Amerlingen weiß keine genauen Zahlen darüber, wieviel Zeit man nun wirklich hat.
Sowie man einen Computer mit funktionsfähiger Software für den Reaktor hochgefahren hat, wird es noch einmal kompliziert, weil man eigentlich simultan sämtliche Stellglieder auf den Rechner schalten muß. Da hat der Reaktoringenieur noch einmal viel zu tun. Wenn das aber gelungen ist, sollte man wenig später wieder die volle Leistung des Reaktors zur Verfügung haben.
Daß das Ganze doch nicht so einfach ist, sehe ich daran, daß Amerlingen Zeit hat, Fahlenbeek - und damit auch mir - das ganze Verfahren zu erläutern, ohne daß es Hinweise gibt, daß schon Resultate erreicht worden sind. Die Luft wird immer stickiger und schwüler. Die meisten, die jetzt nichts zu tun haben, haben sich irgendwo hingesetzt, in die Sessel, in die Winkel zwischen Fußboden und Computerconsolen. Wo man eben nicht wegrutscht.
Vivian Grail hat sich zu der Küchennische hinter dem nun blinden Frontschirm gehangelt und kramt dort herum. Viel wird sie ohne Wasser und Strom nicht machen können. Es kann auch sein, daß sie instinktiv merkt, daß man durch Bewegung eventuell den Kohlendioxidgehalt des Blutes ein bißchen senken kann, weil man das im eigenen Organismus erzeugte CO2 so besser rauskriegt. Ob das aber stimmt, das weiß ich nicht - alle chemischen Gleichgewichte müssen sich geändert haben, weil der Druck im Boot um 50 Prozent gestiegen ist - höherer Partialdruck des Sauerstoffes, des Stickstoffes und so weiter.
Zusätzlich zu der jetzt hohen Konzentration mit CO2 und der Luftfeuchte von fast hundert Prozent werden wir demnächst Schwerwasserdampf einatmen, wenn dieses beim Wiederanfahren des Reaktors in die Bootsatmosphäre gelangt. Ob das vielleicht sogar schon der Fall war, weiß ich nicht. Kommt auf die Menge an, ob wir davon etwas merken.
Apropos Schwerwasser - sowie der Bootsbetrieb wieder läuft und die Rohstoffe für den Bootsbetrieb aus dem umgebenden Wasser gewonnen werden können, werden wir Verluste an Schwerwasser leicht ausgleichen können - noch ist draußen die übliche Schwerwasserkonzentration vorhanden, die wir von der Erdoberfläche kennen: jedes 5000-ste Wasserstoffatom ist ein Deuteriumatom. Wäre es anders, dann wären wir darüber schon aufgeklärt worden.
Aber was ist mit dem Deuteriumgehalt der Ozeane in der Welthöhle? - Mit unseren Sinnesorganen konnten wir vor zwei Jahren nicht herausfinden, ob das Wasser dort den üblichen Bestandteil an Schwerwasser hatte. Zwar weiß ich, wie jeder, der sich mal mit Kosmologie beschäftigt hat, daß sich, den gängigen Theorien nach, in der Anfangszeit des Universums ein gewisser Prozentsatz des Wasserstoffes zu Helium und Schwerwasser umgewandelt hat. Das betrifft auch allen Wasserstoff, der bei der Konglomeration der Planeten in diese mit eingebunden wurde, ob nun chemisch gebunden oder frei. Aber es sind Vorgänge denkbar, die die Konzentration von Schwerwasser ändern können, und ich weiß, daß in der Welthöhle solche Vorgänge eine Rolle gespielt haben müssen. Woher sonst das Süßwasser in den Meeren der Welthöhle?
Ich muß irgendwann Wellington drauf aufmerksam machen. Ich glaube eher, daß das eine nur prinzipielle Möglichkeit denn eine wirkliche Gefahr ist. Aber es wäre fatal, in die Welthöhle ohne Reservevoräte an Deuterium einzufahren und erst dann festzustellen, daß wir dort kein Deuterium gewinnen können.
Lassen wir die potentiellen Probleme - wir haben im Moment dringendere Sorgen. Ich betrachte meine Umgebung wieder aufmerksamer.
Die meisten, die sich im Moment in der Zentrale aufhalten, haben nichts zu tun - Zwangspause. Carola hat sich offenbar wieder gefangen. Das ist gut - um das System hochzufahren, werden wir sie dringend brauchen. Da fällt mir etwas ein:
"Carola, wenn wir das System neu hochfahren, können wir es dann nicht ebensogut gleich ganz neu einspielen? Damit könnten wir den Supersuperuser in Rente schicken!"
Sie blickt mich leicht empört an: "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen brauchen wir jetzt als allerletztes!"
"Nanana," sage ich, "so schlimm kann das doch nicht sein! Außerdem lernen wir dabei eine Menge Dinge kennen, ganz zwangsläufig! - Ist immer so, wenn man das System von scratch auf neu organisieren muß."
"Willst du auch ein neues Dateisystem einrichten?"
"Ne, eigentlich nicht. Das müssen wir so übernehmen, wie es ist. Aber das soll ja möglich sein, oder?"
"Also von 'scratch auf' ist das dann schon mal nicht."
"Reicht doch, wenn die System-Verwaltungsdateien neu angelegt werden!"
"Ach ja. Und welche sind das?"
"Es werden wohl ein paar mehr sein, verglichen mit einem normalen UNIX-System." gebe ich zu.
"Und wo liest man das nach, welche das sind?"
"In den man-pages - Scheiße."
Sie hat natürlich recht. Die vollständigste Dokumentation über das Gesamtsystem ist erst dann zugänglich, wenn der Rechner wieder läuft - vorher nicht. Dann brauchen wir sie aber nicht mehr, weil wir bei einem funktionsfähigen System kaum eine vollständige Systemgenerierung starten wollen - das wäre dann nicht mehr verantwortbar.
"Also werden wir den Supersuperuser so nicht los." vermute ich.
"Vielleicht, wenn wir uns erst etwas besser damit auskennen." sagt Carola, "Da müssen wir aber noch viel in der Dokumentation rumschmökern. - Wo bleibt denn nun der Strom?"
"Weiß ich nicht," sage ich, "es ist vielleicht noch komplizierter, einen FP-Reaktor wieder hochzubringen als ein PRO-UNIX-System."
"Wird schon werden." wirft Amerlingen ein. Klingt irgendwie nicht überzeugt. Oder überzeugend.
22 Uhr vorbei. Wieder schweißgetränkte Stille. Mief. Feinverteilte Furzluft. Alle hecheln. Edwin hat sich gar nicht in unsere Diskussion eingemischt. Endweder, er leidet mehr unter der stickigen Luft als Carola, oder für Carola ist ein Streitgespräch ein Gesundbrunnen. Daraus ließe sich wieder eine verallgemeinernde Aussage über Frauen schnitzen. Mir ist aber jetzt nicht nach Rabulistik zumute.
Gabi steht in ihrer Ecke nahe der Eingangstür nach vorne, zum zentralen Niedergang hin, und hat sich an die Wand gelehnt. Sie hat überhaupt noch kein Wort gesagt. Als ich bemerke, daß sie ihr Kleid wieder hochgeschlossen trägt, fällt mir unsere Malstunde von vorhin wieder ein. Nun sind ihre Brustwarzen umsonst zartrosa getönt. Ist das tatsächlich erst fünf Stunden her? Sie blickt mich kurz unter ihrem Pony hervor an, aber da ist kein Zeichen eines besonderen Blickkontaktes - als ob der Vorfall von vorhin vollständig vergessen worden wäre. Ist er vielleicht ja auch - ich habe mich ja auch eben erst wieder daran erinnert.
Natalie sitzt nicht weit von ihr und sieht im Moment teilnahmslos den Boden vor sich an. Seltsam sitzt in ihrer Nähe, das aber ist wohl Zufall. Cohausz und Solzbach stieren Löcher in die Luft, ebenso der Pater. Serpinski und Spaliter reden miteinander, Wondrachek versucht, in seiner Raumkante zu schlafen - oder schläft sogar wirklich. Doktor Morton kramt in ihrer Krankenstation herum und ist deshalb nicht hier, und Gerald Amurdarjew ist wahrscheinlich bei ihr. Gute Idee, denke ich, in jenen Räumen dürfte jetzt die Luft noch etwas besser sein, weil da weniger Leute sind. Warum ist denn sonst niemand auf die Idee gekommen?
Einen Moment lang denke ich daran, daß es gut ist, daß Irene mit ihrem nicht besonders robusten Kreislauf jetzt nicht bei uns ist. Dann aber denke ich auch daran, daß sie dann ja noch am Leben und damit vergleichsweise besser dran wäre als das tatsächlich der Fall ist. - Geplant war es ja so, daß sie in Ullapool zurückbleiben sollte - wenigstens eine, der es jetzt gut ginge. Vielleicht würde sie noch dem BBC-Programm folgen, vielleicht wäre sie schon auf dem Weg ins Bett. Sie wüßte nichts von uns und unseren momentanen Schwierigkeiten. Sie würde eine allgemeine Sorge empfinden, mehr nicht.
22:30 Uhr. Wer war es? Wer ist das schwarze Schaf? Inzwischen habe ich eine neue Idee: Derjenige, an den die Direktive q78q99q gerichtet ist, sperrt sich dagegen, diese auszuführen. Bewußt oder unbewußt - das sind zwei Varianten dieser Idee - sabotiert er das Projekt, um so seinen Auftrag nicht ausführen zu müssen. Dabei nimmt er seinen und unser aller Tod in Kauf.
Diese Variante liefe darauf hinaus, daß wir es nur mit einem zu tun haben, über dessen Intentionen wir nicht alles wissen. Das ist aber kaum weniger gefährlich.
Jetzt sieht die Gabi mich an, streicht sich dabei selbst über die Brust, lächelt flüchtig - sie erinnert sich an vorhin. Wenig Chancen: Kaum noch eine Kabine über Wasser. Ich grinse schief zurück.
Colbert kommt aus dem Gang zwischen den Krankenrevieren hervor:
"So, bei uns läuft es - wir schalten jetzt den Rechner zu!"
Carola strafft sich, setzt sich aufrecht vor ihren Bildschirm - wobei 'aufrecht' im Moment ein sehr diagonales Konzept ist.
Kaum, das Colbert wieder verschwunden ist, flackern die Displays aller Bildschirme. Dann tauchen auf allen gleichlautende Texte auf:
ELECTRIC BOAT COMPANY BIOS V7.3 FINAL RELEASE 1998-07-01 TESTING PROCESSORS AND MEMORY BOARDS ...
Die Schriftart ist einfach. Das BIOS kennt noch keine ausgefeilten Fonts.
TEST OKAY. CONFIGURATION ...
"Heißt das, daß der Computer bis jetzt keinen Schaden gelitten hat?" frage ich.
"Weiß ich nicht." Carola macht eine umfassende Geste: "Die meisten UNIX-Ableger fahren sich selber hoch, ohne daß man im Normalfall eingreifen muß."
CONFIGURATION DONE VERIFYING BASIC ROOT SYSTEM ... LOADING SYSTEM KERNEL ... PRO-UNIX V15.98 STARTED OEM-VERSION ELECTRIC BOAT COMPANY ROOT PROCESS STARTED VERIFYING ROOT SYSTEM ... CRONTAB 7777775227
"Was soll das?" frage ich, "Startet er jetzt alles, ohne uns zu fragen?"
"Weiß ich doch nicht!"
PRINT SERVICES STARTED
"Haben wir etwa Drucker an Bord?" frage ich, "Das wäre mir neu!"
Niemand antwortet mir. Alle beobachten die Selbstgespräche des erwachenden Betriebssystems.
VERIFYING PORTS AND LINES MOUNTING: /usr00 /usr01 /usr02 /usr03
Die 'MOUNTING ...' Meldungen rauschen rasch über die Bildschirme, so rasch, daß man kaum sehen kann, welche Dateisysteme nun alle angeschlossen werden. Nur der regelmäßigen Struktur der Muster auf den Bildschirmen kann man entnehmen, daß sich unter diese Meldungen offenbar keine Fehlermeldung gemischt hat. Dann geht es weiter:
VERIFYING COMPLETE FILE SYSTEMS ... FILE SYSTEMS OKAY
Interessant. Das Dateisystem hat durch das plötzliche Herunterfahren des Systems keinen Schaden genommen. Wie ich dachte: Das muß ein Echtzeitbetriebssystem, das diesen Namen verdient, abkönnen.
Und wieder ein Wortschwall - das System erzählt, welche Dämonen gestarted werden. Ich weiß wirklich nicht, ob das nur die systemspezifischen Programme sind, oder ob jetzt schon die Software für die technischen Einrichtungen des Schiffes gestartet wird.
INSTALLING GRAPHICAL USER INTERFACE
Von einem Moment zum anderen wird die Hellgrün-auf-Dunkelgrün Darstellung durch ein Fenster ersetzt. Das geschieht auf jedem Bildschirm. In diesem Fenster erfolgen von nun an die Mitteilungen des Systems in einer anständigen, gut lesbaren Schrift, schwarz auf weiß, wie es sich gehört. Die erste Mitteilung ist:
please ROOT login:
"Kleinschrift!" sage ich, "Er wird erwachsen!"
"Davon haben wir nichts. Er will als ersten User den Supersuperuser haben!" sagt Carola.
"Das wird er schon merken, daß du das nicht bist!"
Carola versucht, sich als der Supersuperuser anzumelden. Da sie das Paßwort nicht kennt, tippt sie irgend etwas ein. Natürlich gelingt die Anmeldung nicht. Dann geht sie als der normale Systemverwalter 'root' rein. Das geht, denn das Paßwort kennen wir ja. Kaum, daß sie das getan hat, verschwinden auf allen anderen Bildschirmen die Fenster.
Eine einfache Dialogbox springt in der Bildschirmmitte auf. Ihre Bedeutung ist deutlich:
Ship Services Selection A Start all O Stop all L Listscript S Start selected ones N No Ship Services
"Großartig!" sage ich, "Es läuft noch nichts. Wir können die Reaktorsoftware allein starten!"
"Du merkst aber auch alles!" knurrt Carola. Sie führt den Mauszeiger auf 'S' und klickt. Kurz darauf kriegen wir reichhaltige Auswahlboxen zu sehen: Die zahllosen Systeme des Schiffes können nun separat von uns markiert und so gestartet werden.
"Das ist ja fast wie Weihnachten!" sage ich. So denke ich auch: Wir können vermeiden, den Server zu starten, der uns wieder das Ventil zu der Regelzelle da vorne aufmacht.
"Halt doch mal den Mund! Oder weißt du, was ich für den Reaktor brauche?"
"Nein. Weiß ich nicht. Gehen wir's doch mal durch - oder wir fragen Colbert oder Kufferath!"
Amerlingen mischt sich ein: "Das ist wenig erfolgversprechend - die beiden haben auch immer nur mit dem laufenden System gearbeitet. Aber ist das da nicht selbsterklärend?"
Wir gehen die angebotenen Menüpunkte durch. Aus der Bezeichnung heraus kann man in der Tat erraten, wozu die einzelnen Programme gut sind. Ein Beweis ist das natürlich nicht - niemand hindert einen daran, ein Programm, das einen Reaktor steuert, 'Kühlschrank' zu nennen. Ich nehme zwar kaum an, daß solche Fehler bei der Namensgebung der Systemkomponenten gemacht worden sind, aber immerhin kann ein Programm ja auch nachträglich umbenannt werden.
"Das da," sagt Carola und fuhrwerkt mit dem Mauszeiger über den Bildschirm, "das hört sich gut an: 'FPR-master'. Wollen wir es probieren?"
"Was kann man noch alles mit 'FPR' abkürzen, außer 'Fleischmann-Pons-Reaktor'?" frage ich. Müßige Überlegung - wenn wir zu vorsichtig sind, werden wir nie etwas erreichen.
"Probieren sie's." sagt Amerlingen. Wellingten, der unseren Tätigkeiten auch folgt, nickt.
Kaum, daß Carola diesen Menüpunkt ausgewählt und den 'Okay' Button angeklickt hat, erscheint eine große Dialogbox.
Es ist in der Tat die Reaktorsoftware. Wir werden noch einmal um Bestätigung gefragt, ob wir dieses Programmsystem tatsächlich starten wollen, als Carola dem Programm ihre Zustimmung mitgeteilt hat, bekommen wir sofort eine dicke Dialogbox gezeigt, in der aufgelistet ist, welche Servoeinrichtungen des Reaktors nicht mehr unter der Kontrolle des Rechners stehen. Das ist genau das, was zu erwarten ist - es ist ja alles mögliche auf manuell geschaltet worden.
Was ich im Moment nicht ganz verstehe, ist, wieso wir im momentanen Zustand des Betriebssystems so sicherheitsrelevante Software wie die Reaktorsteuerung starten können, ohne die Paßwörter zu kennen, mit denen man erst zur Steuerung des Schiffes authorisiert wird. Ich überblicke es noch nicht ganz - aber da scheinen mir einige Sicherheitslücken zu sein. Naja, das, was bis jetzt passiert ist, deutet ja auf mehr als nur eine Sicherheitslücke hin.
"Jetzt" mischt Amerlingen sich ein, "müssen wir ziemlich synchronisiert handeln. Reaktor auf Rechnersteuerung, und dann sofort den 'Retry'-Button anklicken. Mach mal jemand die Tür auf!"
Er meint die Tür zum Gang durch das Krankenrevier und zum Reaktor. Die Interkom-Anlage hat nämlich auch noch keinen Strom. Wäre da nicht eine kleine Notbatterie angemessen gewesen? Vielleicht läßt sich das Interkom auch auf die Schiffsbatterien schalten, aber bevor wir herausgefunden haben, wie das geht, haben wir uns ebenso schnell durch lautes Rufen verständigt.
Colbert und Kufferath stehen schon bei ihrem Reaktor in den Startlöchern. Carola soll ihren Mauszeiger auf 'Retry' positionieren und klicken, sowie von hinten 'jetzt!' gerufen wird. Eine Sekunde oder zwei wird der Reaktor weder manuell noch vom Rechner geregelt. Man kann eigentlich nur hoffen, daß keiner der Betriebsparameter in dieser Zeitspanne zu sehr ausreißt.
Es ist völlig unspektakulär. Wahrscheinlich halten wir alle den Atem an. "Jetzt" ruft Kufferath, und 'Klick' macht Carola, fast zeitgleich mit dem letzten 't' von 'Jetzt'. Ganz schnell hintereinander. Wieviele Neuronen zwischen Carola's Trommelfell und ihrem Finger waren wohl beteiligt?
Die Reaktorsteuerung scheint zufrieden zu sein, denn auf Carola's Bildschirm bauen sich Sinnbilder und Diagramme auf. Ziffersequenzen ändern sich so schnell, daß man überhaupt nichts erkennen kann: Der Reaktor wird so schnell wie möglich auf seine Normwerte gesteuert.
Colbert hangelt sich in die Zentrale herein, verdrängt Carola für einen Moment von Ihrem Sitz: "Moment nur - bis er läuft!" erklärt er. Dann brüllt er nach hinten: "Da sind noch Wärmetauscher auf 'manuell'!" Ein paar weitere technische Angaben fliegen hin und her, dann blickt Colbert auf: "So. Das hätten wir!" Fast gleichzeitig mit seinen Worten geht die Beleuchtung in der gewohnten Helligkeit wieder an.
"Gut." Meine Armbanduhr, die wenigstens nicht vom Rechner abhängt, zeigt 01:10 Uhr an. Wenn sich das Ventil zusammen mit der Schnellabschaltung des Reaktors nicht geschlossen hätte, dann würden wir inzwischen wohl alle tot sein.
Die Arbeit ist aber noch lange nicht zu Ende. Damit die Klimaanlage und vieles andere wieder funktioniert und damit weitere Schäden vermieden werden, sollte das vordere Unterdeck frei von Wasser sein. Das geht aber nur, wenn praktisch das ganze Boot wieder trocken ist. Die Lenzpumpen sind also das nächste, was zugeschaltet werden muß. Wieder suchen wir, welche Teile der Schiffsbetriebssoftware dafür gebraucht werden. Das können wir jetzt aber auf mehreren Bildschirmen machen, weil der Computer wieder voll aktiviert ist. Bemerkenswert - Teile der Rechner liegen im Vorschiff unter Salzwasser. Scheint ihnen aber nicht zu schaden. Diese Hardware ist wirklich vom Feinsten, wie uns das am Anfang der Reise gesagt wurde.
Chapman, Priest und Mackenzie sitzen nun an den Bildschirmgeräten in der Zentrale. Da das eigentliche Betriebssystem nun problemlos zu laufen scheint, haben sie es nur noch mit der Schiffssoftware zu tun - da fühlen sie sich zuständig. Trotzdem beobachte ich, daß auch sie sehr viel herumraten müssen. Aber Carola ist erst einmal wieder entlastet.
Gabi kommt auf mich zu, gerade als Carola das auch tun will. Carola sieht das und setzt sich wieder hin.
"Pumpen sie das Wasser jetzt raus? Ich will wieder in meine Kabine!" fragt sie mich.
"Sobald das möglich ist, wird herausgepumpt!" sage ich, "Aber schnell wird das nicht gehen. Man wird vielleicht nicht alle Lenzpumpen einsetzen können, und ..."
"Doch," sagt Amerlingen im Hintergrund.
"Doch? Also doch. Mmh. Ich dachte, es hängt ein bißchen davon ab, wo sich welche Pumpe befindet. Sie muß das Wasser ja saugen können."
Sieht nicht so aus, als wolle sich Amerlingen zu der Beschaltung der Pumpen äußern.
"Mmh. Ja." fahre ich fort, "Und dann hängt es natürlich von der Leistung der Pumpen ab. Von den vier Megawatt, die der Reaktor hergeben kann, ist zwar das meiste im Moment verfügbar, aber das werden die Pumpen nicht fressen können. Die können höchstens ..."
"Sechs mal zwanzig Kilowatt Dauerleistung." sagt Amerlingen dazwischen, "Kurzzeitig sind es mehr."
"Du hast es gehört. 120 Kilowatt."
"Und was heißt das?" fragt Gabi. Eigentlich sollte eine technische Assistentin sich das selber ausrechnen können.
"Gegen ein Bar Überdruck braucht man im Idealfall 100 Watt für einen Liter pro Sekunde. Wir haben da draußen 684 Bar - wenn der SISC wieder funktioniert, wirst du es sehen. Ein Liter pro Sekunde braucht also 68.4 Kilowatt. Es gibt aber kaum einen Motor und kaum eine Pumpe, die einen Wirkungsgrad von 100 Prozent haben. 50 Prozent ist schon realistischer. Siehst du? Mit den 120 Kilowatt sind mehr als ein Liter pro Sekunde nicht drin."
"So wenig?"
"Ja. Es hat ja niemand damit gerechnet, daß das halbe Schiff leergepumpt werden muß."
Gabi denkt nach. "Ich komme auf 140 Stunden!" sagt sie.
"Ich auch."
"Jedenfalls haben wir viel Zeit, das Schiff wieder in Ordnung zu bringen!" sagt Amerlingen.
"Sie sagen das, als ob Sie das freut!" sagt Gabi zu ihm mit leicht vorwurfsvollem Ton.
"Es freut mich, daß wir es nur noch mit lösbaren Problemen zu tun haben!" sagt er, "Und das wir zwangsweise die Zeit haben, das ganze Schiff zu überprüfen und zu säubern - ja, säubern: Von dem Salzwasser wollen wir ja nichts drin behalten, oder?"
Priest blick von seinem Terminal auf: "Freut euch des Lebens!"
"Wieso?"
"Klimaanlage läuft!"
Copyright © Josella Simone Playton
2000-09-15 14:00:00
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