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7. Unerwartete Kollegen
"Es muß nicht so kommen, wie du denkst." hat die Irene gesagt. Und noch viele Argumente. Ich habe schnell gemerkt, daß sie unterschreiben wollte, nachdem auch aus dem Vertrag hevorging, daß wir nicht höchstselbst an der Expedition in die Welthöhle teilnehmen müssen, wenn wir dies nicht selber wollen.
Natürlich haben wir unterschrieben. Jeder hat seinen Preis. Ich habe meinen Preis vorher nicht gekannt, aber in den Vertrag stand er drin. Bei Irene war es genauso. Was soll man tun? Nie mehr die Gefahr der Arbeitslosigkeit. Auch nicht bei Krankheit. Rente gesichert. Wohlstand für den Rest unseres Lebens. Mit Arbeit allein kann so etwas nicht schaffen. Und so haben wir unterschrieben. Grohmann kam zwar am nächsten Tag, aber er war in Eile, weil ihm irgendwelche anderen Verpflichtungen dazwischen gekommen waren. So holte er nur die Verträge ab.
Noch einen Tag später habe ich meine Sachen in der Firma abgeholt. Schnell, in der Mittagspause. Mit niemandem reden, schon gar nicht über das, was vor uns lag. Da war so eine Floskel im Vertrag. Wir hatten Stillschweigen zu wahren. Noch.
Ich ging zu Carola in das andere Labor hinüber. Vielleicht war sie da. Ich wollte mich verabschieden. Außerdem wollte ich wissen, welche Cover-Up Story man über uns in Umlauf gebracht hatte, und ob sich die Kunde unter den Mitarbeitern schon verbreitet hatte. - Wenn man eine Firma verläßt, in der man so lange tätig war, dann möchte man natürlich schon ganz gerne wissen, warum.
Carola war dabei, ihre persönlichen Dinge aus ihrem Schreibtisch herauszuräumen!
"Was machst du denn da?" fragte ich ganz überrascht.
"Ich habe gekündigt!"
"So plötzlich? Und dann ziehst du gleich ab? Da sind doch Fristen zu wahren, wenn ich mich nicht irre ..."
"Tust du doch auch nicht!"
"Bei mir ist das etwas anderes."
"Wieso?"
"Ich habe da einen speziellen neuen Arbeitgeber ... Woher weißt du überhaupt, daß ich ..."
"Den speziellen neuen Arbeitgeber habe ich auch."
"?"
"Da staunst du, was? Wir bleiben Kollegen!"
"Aber warum denn du?"
"Sie haben mir ein gutes Angebot gemacht. Da konnte ich nicht 'nein' sagen. - Außerdem - du hast mir ja diesen Job beschafft!"
"Ich?"
Sie zeigt nach oben auf die Decke: "Erinnerst du dich?"
"Nein. Woran?"
"Die Lautsprecher. Als Mikrophone!"
"Das habe ich nicht gewußt. Mir haben sie auch gar nichts darüber gesagt."
"Haben sie wohl vergessen. Seit ein paar Monaten horchen sie."
"Aha." Mehr weiß ich nicht zu sagen. Ist sie sauer auf mich, weil ich sie da mittelbar hineingezogen habe? Sie hätte doch eigentlich Grund dazu, aber sie macht einen heiteren Eindruck. Aufbruchstimmung. Unverkennbar.
"So haben sie gewußt, daß du mich ins Vertrauen gezogen hast."
"Oh. - Ja, und was machst du bei dem Projekt? Wir sollen die ..." ich sehe mich kurz um, aber wir sind im Moment allein in diesem Raum "... wir sollen die Expedition vorbereiten. Sprachunterricht und so."
"Ich soll es lernen."
"Xonchen?"
"Ja!"
"Warum du denn?"
"Ich gehe mit!"
"In die Welthöhle?"
"Ja, wohin denn sonst?"
"Ja, aber gerade du - bloß weil du zufällig etwas weißt. Haben sie dich auch zum Stillschweigen vergattert?"
"Natürlich."
"Tut mir leid."
Carola hält ein:
"Wieso denn?"
"Es kann gefährlich werden. Du kannst ums Leben kommen."
"Du hast es auch überlebt."
"Ja, gerade eben. - Es war knapp. Manchmal."
"Und sie brauchen jemand für die Rechner an Bord, und da kommt ihnen eine Informatikerin gerade recht."
"Was soll das heißen: 'An Bord'?"
"Weißt du das nicht?"
"Nein, ich weiß nichts!?"
"Es ist ein Spezial-U-Boot. Damit wird es gemacht!"
"Ich weiß nichts davon. Ist das schon entschieden? Der Grohmann hat gesagt, es muß erst noch entschieden werden, wie wir am besten vorgehen. Von einem U-Boot war nicht die Rede. - Wie soll das überhaupt gehen? Es gibt keinen geeigneten Zugang zur Welthöhle! Nicht für ein U-Boot!"
"Doktor Grohmann - soviel Zeit muß sein! - Aber im Ernst. Dann hat er dir nicht alles gesagt. - Also, ich weiß nicht viel darüber. Das Boot ist für andere Zwecke gebaut worden, und jetzt sollen Untersuchungen im Loch Ness gemacht werden. Was für Untersuchungen das sind, weiß ich nicht. Aber ich muß mich eben mit den Rechnern vertraut machen."
"Bist du tropentauglich?"
"Wir werden es erfahren."
"Carola, ich kenne dich doch! Das ist nicht dein Job! Für so etwas bist du nicht gebaut! Da unten ist es heiß und schwül! Dauernd muß man klettern. Du hast dich doch sogar bis jetzt geweigert, an einem Ausflug teilzunehmen, wo man einen Klettersteig verwenden muß. Keine Alpspitze, kein Mittenwalder Eisenweg, kein Höllental, kein Plankenstein. Nicht mit der Carola. Und jetzt willst du in die Welthöhle! - Das ist doch Wahnsinn!"
Sie schüttelt den Kopf. "Sie denken an etwas anderes. Der Grohmann hat gesagt, er rechnet auch damit, daß wir beide gut zusammenarbeiten können - wegen der alten Compiler-Zeiten."
"Wieso 'wir'? - ich komme doch gar nicht mit! Wenn ich es selbst nicht will."
"Komisch. Ich hatte den Eindruck, daß Grohmann fest damit rechnet, daß du mitkommst."
"Da weiß er mehr als ich. Ich habe nur einen Beratervertrag unterschrieben."
"Mit einer Option? Falls du doch mitkommst?"
"Ja."
"Aha. Und was wirst du tun?"
"Ich weiß noch nicht. Ich ..."
Wir müssen das Gespräch unterbrechen, weil Carola's Kollegen vom Mittagessen zurückkommen.
Trotzdem - ich werde noch mit ihr sprechen müssen. Seit wann hat die Carola Anflüge von Abenteuerlust? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie nur durch das Gehalt geködert worden ist. Sie ist einfach nicht der Typ dazu. Ich habe immer gedacht, daß sie sich genau die Art von Existenz aufgebaut hat, die sie haben will: Sicherer, leidlich interessanter Job, und sonst das Leben genießen. Urlaub. Reisen. - Aber doch nicht in die Welthöhle!
Ob man sie auch auf die etwas unsauberen Aspekte bei unseren letzten Validierungen des Ada-Compilers hingewiesen hat? Oder warum will sie sonst mit? - Ich muß es noch herausfinden.
Copyright © Josella Simone Playton
2000-09-15 14:00:00
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