Voriges Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Nächstes Kapitel
******** 074. Tag: Dienstag 95-10-31 ********
Chibargch und Chromargue, die immer noch Dienst auf der Brücke tun, sind meine Befragungsopfer. Sie haben inzwischen schon begriffen, daß es für den Betrieb an Bord das beste ist, wenn nicht alles in Chaos versinkt, und so erfahre ich alles, was ich wissen will.
Im Verlauf der nächsten Stunden lerne ich, daß der Betrieb des Saurierfängers um einiges mehr an Anforderungen an den Schiffskommandanten stellt als die Schiffsführung der MARY CELESTE. Dabei ist im Moment ja eigentlich nur dasselbe zu tun, was auch die MARY CELESTE gemacht hat: Kurs halten.
Aber da ist zum Beispiel das Problem des Fleischumladens. Saurierfleisch ist gut und lange lagerfähig, auch in diesem Klima. Aber dazu ist es notwendig, daß der Gehalt an intrazellularer Flüssigkeit weitgehend konstant bleibt - jedenfalls ist das der Tatbestand, der sich hinter den biologisch weniger präzisen Erläuterungen, die ich zu hören bekomme, verbirgt. Wenn man nämlich ein Stück Saurierfleisch so einfach hinlegt, dann bildet sich durch die Schwerkraft ein Konzentrationsgefälle. Die Stellen des Fleisches, die zu feucht werden, oder die, medizinisch gesprochen, Ödeme entwickeln, neigen zur Fäulnis, und zu trockenes Fleisch neigt zu Pilzbefall. Deshalb muß umgelagert werden, und deshalb muß auch jedes Stück Fleisch, das bereits geschädigt scheint, sofort weggeworfen werden. Wenn man das nicht täte, wäre nach so einer Reise bei der Ankunft in Grom nur noch höchstens ein Achtel des Fleisches brauchbar.
Wer immer für die Fleischumlagerung die Verantwortung hat, hat es in der Hand, aus einer Jagdexpedition einen wirtschaftlichen Erfog oder einen wirtschaftlichen Mißerfolg zu machen.
Warum wird das Fleisch nicht haltbar gemacht, etwa durch Salz oder durch Räuchern, frage ich. Ich erfahre, daß das viel zu aufwendig wäre. Das macht man nur bei ausgesprochenen Delikatessen so, etwa bei Menschenfleisch, das sich ja überhaupt nicht hält, wenn man nichts unternimmt, und bei dem das Umlagern nicht diesselbe Wirkung wie bei Saurierfleisch hat. Ach so.
Ich überlege, ob ich meine neue Stellung als Kommandant des Schiffes nicht dazu ausnutzen sollte, den Genuß von Menschenfleisch an Bord zu unterbinden. Früher hätte ich gedacht, daß das unter den gegebenen Umständen eine selbstverständliche Maßnahme sein sollte.
Aber so selbstverständlich ist das nicht. Menschenfleisch schmeckt deutlich besser als Saurierfleisch, und Saurierfleisch ist schwer verdaulich. Sicher, man kann von Saurierfleisch leben, und wir haben immense Mengen davon an Bord. Aber ich fürchte, daß ich der Besatzung keine so einschneidende Änderungen ihrer Eßgewohnheiten diktieren kann, ohne ernsthafte Opposition zu spüren. Am besten, ich kümmere mich nicht um die Küche. Am besten, ich weiß von nichts.
Aber jetzt erfahre ich auch, warum wir während der letzten Schlafperiode durchgefahren sind. Normalerweise ist es besser, wenn die ganze Besatzung wach und einsatzbereit ist, jedenfalls solange man mit Jagdgelegenheiten, die man wahrnehmen möchte, rechnen muß. Dann wird ein Schlafen-Wachen-Rhythmus eingehalten, damit die ganze Besatzung etwas mehr als die Hälfte der Zeit einsatzbereit ist. Zum reinen Vorwärtsfahren ist jedoch nur ein Teil der Mannschaft notwendig, so daß der andere Teil gleichzeitig schlafen kann. Dann kann man personalmäßig die 27 Stunden am Tag den Schiffsbetrieb durchgehend aufrechterhalten. Gerade jetzt, wo das Schiff vollbeladen ist und nach Grom muß, und wo die Besatzung auch möglichst schnell nach Grom möchte, ist es angebrachter, durchzufahren, wo immer das möglich ist.
Wer, stelle ich mir nun die Frage, wacht denn dann über die Ausführung meiner Befehle während der Zeit, in der ich schlafe? Es reicht vielleicht nicht aus, wenn wir Cherkrochj in unserer Gewalt haben. Ich brauche wirklich loyale Mitstreiter.
Das ist natürlich ein Problem. Auf meinen Schlaf kann ich nicht verzichten. Wer wäre denn da noch qualifiziert, in dieser Zeit in meinem Sinne auf das Schiff aufzupassen?
Irene? Wahrscheinlich nicht. Sie ist zwar genauso lange in der Welt der Granitbeißer wie ich, aber sie hat dazu nicht die Nerven. Habe ich ja vorhin gesehen. Und wer sonst? Wer könnte sich einen Vorteil davon versprechen, in meinem Sinne mit mir zusammen zu arbeiten?
Dann habe ich die Idee.
74.1 Chrejene's senkrechtes Lächeln
Chrejene! Sie hat noch überhaupt keine Stellung an Bord erreicht, also noch weniger als Charmion zu dem Zeitpunkt, als wir an Bord kamen. Sollte ich es mit ihr versuchen?
Aber sie ist noch jung und wird vielleicht von den anderen nicht ernstgenommen. Außerdem gibt es sicher, was die Beförderungen betrifft, gewisse Erwartungshaltungen. Kann ich andere übergehen, indem ich Chrejene deutlich mehr Einfluß an Bord gebe?
Ich gehe auf das Deck hinunter und suche sie. Wenigstens muß ich mit ihr sprechen, um es herauszufinden.
Sie ist inzwischen wieder dabei, ihr Harpuniergerät zu putzen. Offenbar hat sie alle anderen Aufgaben, die ich ihr aufgetragen habe, erledigt.
"Chrejene? Wer hat dir diese Arbeit da angeschafft?"
"Es ist doch meine Aufgabe an Bord! Ich muß dafür sorgen ..."
"Gut. Darüber reden wir noch. Komm einmal mit - wir gehen nach vorne, zum Bug. Da sind wir unter uns."
"Ja, Kommandant!" Bereitwillig läßt sie alles stehen und liegen und springt auf, um mir zu folgen.
Vorne, unter dem Widerlager des großen Bugsprietes, sind wir einigermaßen für uns. Auch das ist ein Vorteil eines so großen Schiffes: Es ist leichter, einmal ein Plätzchen zu finden, wo nicht so viele Menschen in Hörweite sind, oder auch eventuell gar keine.
Kaum, daß wir uns zwischen den Reelingsbalken und einigen Taurollen, die dort liegen, hingesetzt haben, zieht Chrejene auch schon ihren Lederstreifenrock hoch und die Lederstreifen zur Seite. Ihre Hüfte liegt bequem auf einer dieser Taurollen, und sie spreizt die Beine so weit, so daß ich deutlich ihr Schamlippen sehe. Sie schiebt sie mir einladend entgegen, wobei sie sich nach hinten auf ihre Ellenbogen stützt.
"Komm," sagt sie, "hier ist es wirklich bequem! Das geht gut. Ein schöner Platz. Komm zu mir!"
"Was machst du denn da?" frage ich verwundert. Eine dumme Frage, ich sehe ja, was sie will.
"Du wolltest doch mit mir alleine sein, Kommandant?"
"Ja, aber doch nicht deshalb! Wir haben zu reden!"
Und wieder einmal erfahre ich, daß auch eine verschmähte Granitbeißerin an solch einer Abfuhr kauen muß. Aber Chrejene versucht, ihre Enttäuschung für sich zu behalten. Himmel, ich brauche sie - ich darf sie ja nicht sauer fahren! Überleg dir genau, was du sagst, Herwig!
"Chrejene, jetzt nicht! Später. Ich möchte eigentlich auch, wirklich! Aber jetzt gibt es wichtigeres!"
"Ja?" Sie setzt sich wieder senkrecht hin, aber immer noch darauf achtend, daß ich zwischen den Streifen ihres Rockes, die wieder in ihre normale Position zurückgefallen sind, ihr Geschlecht sehen kann. Falls ich es mir doch noch anders überlege.
Ich sehe mich hastig um. Könnte Irene uns vom vorderen Masthaus sehen, oder verbirgt uns das Widerlager des Bugsprietes? Und werden wir von anderen Teilen des Schiffes aus gesehen? Einige Besatzungsmitglieder haben uns bestimmt nach vorne gehen sehen, und vielleicht haben sie dieselben Schlüsse gezogen wie Chrejene. Im Moment sieht es so aus, als ob wir unbeobachtet sind, und ich atme innerlich auf.
Chrejene sieht mich erwartungsvoll an. Es ist nicht zu erkennen, ob sie auf das wartet, was ich ihr eigentlich sagen will, oder ob sie darauf wartet, daß ich meine Absicht doch noch ändere und mit ihr gleich hier bumse.
Ich weiß zunächst nicht, was ich sagen soll. Derweil sehe ich sie an. Allmählich lernt man ja Nuancen kennen.
Wie ich es schon bei Chrwerjat und Charmion gesehen habe, operieren die Granitbeißerinnen nicht mit äußerlichen Reizen, wenn sie einen Mann haben wollen und ihn nicht gleich bekommen können. Kein eleganter Hüftschwung, kein Augenaufschlag, keine Brust raus, keine elegante Sitzhaltung. Die Grazie eines Mehlsackes eben. Das kenne ich schon.
Wenn eine Granitbeißerin etwas will, dann sagt sie es gerade heraus, wie Chrejene es eben getan hat. Und wenn sie es nur zeigen kann, dann sorgt sie nur dafür, daß man eben ihr Geschlechtsteil sieht. War das bei Charmion auch so? Ich glaube nicht. Sie war direkter. Sie hat es mir gesagt, wenn sie etwas wollte. Oft genug und schnell genug. Bloß nichts kalt werden lassen. Die Zeitspanne vom Erwachen der Libido bis zur Paarung war bei ihr nie so lange, daß detaillierte Verhaltensforschungen möglich waren. Das, was Chrejene jetzt macht, ist also eher das Äquivalent des schüchternen Augenaufschlages eines jungen, unerfahrenen Mädchens, das mit Männern noch nichts oder noch nicht viel gehabt hat. Schamlippen zeigen, wie zufällig. Eine für die Verhältnisse bei den Granitbeißerinnen schüchterne und zurückhaltende, vielleicht auch mehr unterbewußt produzierte Geste.
Wie gut, denke ich, daß die Granitbeißerinnen nicht mit den missionierenden Kolonialherren vergangener Zeiten zu tun gehabt hatten! Mit Leuten, deren Weltbild so beschränkt war, daß sie es zwangsweise für allgemeinverbindlich halten mußten.
Solche Leute, für die es in der Geschichte der Ausweitung europäischen Einflusses auf den Rest der Welt genügend Beispiele gegeben hat, hätten nichts Eiligeres zu tun gehabt, als den Granitbeißerinnen zu erzählen, was für amoralische Geschöpfe sie doch seien. Und wie geschmacklos ihre Gesten und ihr Verhalten ist. Die Granitbeißer wären, auch ohne ihre Menschenfresserei, nach allen Regeln der Missionskunst von ihrer kulturellen Identität befreit worden, und das Blut wäre dabei reichlich geflossen.
Wieder denke ich daran, daß unsere Zivilisation mit dieser Welt besser keinen Kontakt haben sollte, und daß ich mein beabsichtigtes Buch so schreiben sollte, daß man es unbedingt für einen Fantasy-Roman hält.
Und doch, wenn es für mich einfach ist, sich daran zu gewöhnen, warum dann nicht für andere? Dieses Mädchen lächelt mich eben mit ihren Schamlippen an - na und? Von der Histologie her ist da sowieso kein Unterschied. Und von der unbewußten Absicht, wenn denn eine da ist, auch nicht. - Ich halte mich nicht für übertrieben tolerant, deshalb nehme ich an, daß mein Grad der Toleranz von vielen anderen Zeitgenossen auch erreicht werden können sollte. Sollen die Granitbeißerinnen doch lächeln, womit sie wollen!
Und dann gibt es natürlich immer noch die prinzipielle Möglichkeit, daß ihre Haltung, so wie sie mir jetzt gegenüber sitzt, mir rein zufällig diese Einblicke gewährt. Busen sehe ich ja auch ständig und überall, ohne daß ich mir noch etwas dabei denke - in diesem Punkte wirken die Gepflogenheiten in der Granitbeißerwelt so ähnlich wie die optischen Eindrücke an manchen Hotel-Swimmingpools auf Lanzarote.
Jetzt bin ich aber ganz ordentlich von meiner eigentlichen Absicht abgelenkt worden. Wie soll ich jetzt anfangen? Es hat wohl noch nie ein Bewerbungsgespräch - oder Abwerbungsgespräch - für einen ersten Offizier so angefangen, wie das eben der Fall war. Da fällt mir auf, daß Chrejene eine Kette trägt.
Schmuckstücke habe ich bei den Granitbeißerinnen bis jetzt noch nicht gesehen. Das paßt ja auch ins übrige Bild. Aber Chrejene trägt eine Kette. Das ist ungewöhnlich.
Es handelt sich um eine Gliederkette, die ihr um den Hals liegt und so lang ist, daß sie ihr zwischen den Busen bis fast zum Nabel fällt. Das heißt, wenn sie sich nicht irgendwie anders legt - weil Chrejene einen flachen Busen hat, fällt die Kette über ihrer Brust meistens asymmetrisch irgendwie ungeordnet.
"Zeig das mal! Was hast du denn da?" frage ich sie. Vorsichtiger Versuch der Klimaverbesserung.
Sie gibt mir die Kette in die Hand, ohne sie abzunehmen. Deshalb muß sie mir sehr naherücken.
Damit ist der Ausblick auf ihr 'senkrechtes Lächeln', wie die Chinesen sagen, zwar weg, aber ich stelle fest, daß mich ihre Nähe aufregt. Vielleicht verständlich, nach der unangenehmen und erzwungenen Nähe zu Cherkrochj und der Zurückweisungen durch Irene?
Die feinen Gliederringe sind schwer und aus einem gelben Metall. Kupfer oder Gold oder eine Legierung zwischen den beiden Metallen? - Die einzelnen Glieder sind sehr unterschiedlich, was nicht für einen hohen Stand der Goldschmiedekunst spricht, wenn es denn tatsächlich ein Schmuckstück ist und nicht etwas anderes, was Chrejene zweckentfremdet als Schmuck verwendet. - Ich muß bei Gelegenheit mal drauf achten, wie sie es anstellt, daß ihr dieses Kettchen nicht bei den manuellen Arbeiten, die sie ausführt, im Wege hängt.
"Wo hast du das her?"
"Meine Mutter hat es mir gegeben."
"Und wo ist deine Mutter?"
"In Grom!"
"Aha. - Es ist hübsch."
Frauen sind doch unlogisch. Da mache ich, unüberlegterweise, ein Kompliment über einen Gegenstand, den sie zufällig als Schmuckstück trägt, und es geht ihr sichtbar runter wie Butter. Sie rückt noch näher.
"Ich will eigentlich über deine zukünftigen Aufgaben an Bord mit dir sprechen, und dazu muß ich wissen, ob du ..." setze ich an.
Sie hat meine Handgelenke angefaßt und an ihre Brust geführt. Sie verwendet meine Hände, um sich selbst zu streicheln. Dabei sieht sie mir aus nächster Nähe ins Gesicht, und mit einem Male sehe ich, wie sehr auch ihre Haare ungewaschen und verklebt sind. Wie bei Charmion. Die Erinnerung kommt sehr plötzlich. Auch ihr Geruch ist wie bei Charmion, anders, aber auch sehr streng und unangenehm. Eigentlich sollte das alles abstoßend wirken. Aber ich bin wohl schon zu lange bei den Granitbeißern.
"Ob ich was?"
"Ob du ..." Weiter komme ich heute wohl nicht. Unter ihrem linken Busen fühle ich deutlich ihren beschleunigten Herzschlag.
"Magst du mich vielleicht doch?" fragt sie.
"Hat deine Mutter dir nie gesagt, daß du nicht dauernd fremden Männern hinterherlaufen sollst?"
"Nein! Sie hat gesagt, ich soll mir nehmen, was ich will. Ich meine, normalerweise ..."
'Normalerweise, wenn man es nicht gerade mit dem eigenen Kommandanten probiert', vervollständige ich ihren Satz im Geiste, sage aber nichts.
"Und das tust du immer?"
"Nicht so oft."
"Aber du bist doch keine ..." Ich stelle fest, daß ich in der Xonchen-Sprache kein Wort für 'Jungfrau' kenne. Daraus folgt auch, daß ich in der ganzen Zeit in der Granitbeißerwelt dieses Wort auch noch nicht gebraucht habe. Sonst hätte ich zum Beispiel ja mit Sicherheit Charmion gefragt. Vielleicht gibt es das Wort auch gar nicht, weil der Begriff hier überflüssig ist: Ein Mädchen, das alt genug ist, mit Männern zu schlafen und das auch zu wollen, hat das auch schon getan. Das ist die normale Biographie.
"Aber du hast doch schon mal mit Männern gespielt?" umschreibe ich.
Sie ist nicht eine Spur verlegen bei dem Eingeständnis, daß das wohl noch nie so richtig befriedigend der Fall war. Was ich ungefähr herauskriege ist, daß es bei der Aufteilung des verfügbaren 'Männermaterials' natürlich eine Hackordnung gibt, sowohl hier an Bord als auch dort, wo sie aufgewachsen ist. Die letzten in dieser Hackordnung, und das sind natürlich die jüngsten und am wenigsten einflußreichen Mädchen, kriegen bei Knappheit dieses Gutes fast nichts ab. Von diesen Dingen habe ich auf meiner ersten Zeit auf dem Saurierfänger nichts bemerkt, aber es erscheint mir logisch, daß es so ist. Charmion war von diesem Problem nicht oder nicht mehr betroffen, da sie ja schon zweifellos zu denen gehört hatte, die sich immer holen konnten, was sie wollten. Chrejene hingegen ist ein nettes Mauerblümchen, wurde aber bis jetzt wohl immer von den anderen an die Wand gedrückt. Kein Wunder, daß sie auf mich abfährt: Der Kommandant persönlich kümmert sich um sie - das ist natürlich etwas anderes als die 'schiachen Mandln', die sonst für sie übrig und erreichbar blieben!
"Trotzdem - es tut mir leid. Es geht nicht. Ich - ich habe eine Frau! Ich kann sie nicht betrügen!" versuche ich, ihr zu erklären. Aber sie versteht das nicht:
"Wieso, hindert sie dich, das zu tun, was du tun willst?
"Nein, das ist es nicht."
"Aber was ist es dann? Du willst es doch?" Sie nimmt ihr Schwert in die Hand: "Soll ich gegen deine Frau kämpfen? Willst du das?"
"NEIN!"
Ich war wohl etwas zu heftig. Nun ist sie wieder unsicher und läßt das Schwert sinken.
"Nein, Chrejene, ich meine, solche Dinge kann man nicht mit dem Schwert lösen!"
Sie ist völlig verunsichert, hat ihre eigene Kette selbst in der Hand und betrachtet sie, um nicht mich ansehen zu müssen. Irgendwie läuft unser ganzes Gespräch in eine andere Richtung, als ich es geplant habe.
"Chrejene, wie soll ich es dir erklären? Bei uns kann nicht einfach jeder Mann mit jeder Frau - spielen. Bloß, weil sie es vielleicht im Moment möchten."
"Aber du bist doch jetzt Kommandant auf diesem Schiff! Und das als Mann! Du mußt ungewöhnliche Fähigkeiten haben!"
"Das heißt doch nichts!"
"Doch! Das heißt, das du alles darfst! Und wenn du nicht mit mir spielst, dann willst du es nicht, denn sonst würdest du es tun!"
"Ich würde es ja gerne tun, aber ..."
Sie umgreift mich - mein Ton war wohl wieder einen Moment lang zu verbindlich. Während des Wortwechsels habe ich nahe vor ihr gekniet, um nicht zu laut sprechen zu müssen, und sie sitzt die ganze Zeit auf der Taurolle. So kann sie mich jetzt mit einer unerwartet kräftigen Handbewegung zwischen ihre gespreizten Beine ziehen - wie bei Cherkrochj auf dem Kartentisch. Aber es gibt einen Unterschied: Ich will eigentlich auch. Trotz Irene, und trotz Charmion. Es ist mir, als ob ich beide zugleich betrüge. Liegt es an Chrejene's Jugend, daß die Reflexe so schnell da sind? - An meiner eigenen Jugend kann's ja wohl nicht liegen, die ist ja schon lange vorbei!
Die Lederstreifenröcke sind bei der sexuellen Vereinigung kein Hindernis. Man braucht sie nicht einmal auszuziehen. Man ist nicht einmal genötigt, die Waffen abzulegen. Und die letzten Sekunden vor der Penetration habe ich keine größere Sorge als die, daß uns noch irgend etwas dazwischen kommen könnte - so schnell steigt das Verlangen. Aber dann bin ich endlich in ihrem jungen Körper drin, wie ich es schon immer gewollt habe, und es ging so einfach und schnell und glatt, als ob ich es gar nicht hätte wollen müssen. Also habe ich eigentlich gar nicht gewollt, und jetzt ist es eben passiert. Oder so? Oder wie? Oder was? Was habe ich denn jetzt gewollt?
"Ist es gut? Bin ich ein Teil von dir? Du brauchst das doch, nicht wahr? Mama hat mir immer gesagt, daß Männer das in Wirklichkeit auch brauchen." flüstert sie mir ins Ohr. Wie gut, daß ich ihre Mutter nicht kenne, denn sonst wäre ihre Erwähnung gerade jetzt der Sache sehr abträglich. Sie hat ihr Gesicht auf meine Schulter gelegt, und ich spüre, wie sie ihre Schenkel um meine Hüfte schlingt: "Heb mich an! Heb mich an, ja!"
Nun ja. Man soll die Frauen feiern wie sie fallen, wie ein altes Sprichwort sagt. Ich fühle mich wie ein Gott in seiner Göttin, und ein Gott kann ja nicht falsch handeln. Ich habe überhaupt nicht die Spur eines schlechten Gewissens. Ich bin doch der Kommandant, hat sie gesagt, ich darf alles. Ich darf alles, weil ich den Gesetzen dieser Welt unterliege, und gemäß diesen Gesetzen habe ich dieses Schiff in meine Gewalt gebracht. Es steht mir zu. Das Schiff, die ganze Besatzung, Chrejene, ihr Körper, das alles steht mir deshalb zu. Zu jeder Zeit, wann immer ich will. Habe ich nicht mein Leben riskiert, um das alles zu bekommen? Ist das nicht Rechtfertigung genug?
Ich denke daran, wie gut ich mich in diese Welt eingelebt habe. Dieses Tun ist doch ein Teil davon, vielleicht der natürlichste und selbstverständlichste. Was wäre, wenn ich doch hier bliebe? Ich könnte alle Mädchen an Bord haben!
Und wie sie saugt und pumpt, um ja nichts in mir zurückzulassen. Ein Naturtalent. Wer hätte das gedacht - diese unscheinbare Chrejene! Die perfekte Vereinigung, der geschlossene Kreislauf. Nicht ein Gedanke an Schuld bleibt zurück. Nur das Wachsen und die Wärme in ihrem Körper ist wichtig. Ich spüre, wie die Muskeln in meinem Becken anfangen, in der richtigen und notwendigen Weise zu kontrahieren, um Chrejene das zu geben, worauf sie Anspruch hat. Unsere Schwerter kratzen auf den Decksbalken, und wir kümmern uns nicht darum.
"Was macht ihr eigentlich da?"
74.2 Irene's Zorn
Irene ist soeben um das Bugsprietlager herumgetreten und hat uns erblickt. Nicht, daß es einen Unterschied macht: Der Strom ist zum Fließen gekommen und fließt unaufhaltsam in die Chrejene, die sich an mir festklammert, als gelte es das Leben. Nichts kann ihn aufhalten. Ich werde es zu Ende bringen, so wie wir es wollen und müssen. Daß die Irene aufgetaucht ist, interessiert Chrejene nicht, und ich möchte es eigentlich auch ignorieren. Nur Irene macht bei dem Ignorieren nicht mit. Sie wechselt in die deutsche Sprache:
"Du Schwein!"
Die Wonne ebbt ab. Nicht wegen Irene's Kommentaren, sondern sowieso. Der Augenblick läßt sich nicht halten. Auch für Chrejene nicht. Sie krallt sich in meinen Rücken. Aber die Woge ist vorbei. Sie ist irgendwo gebrochen worden.
"Bleib in mir drin!" flüstert sie, "Bleib doch." - Ich fürchte, daraus wird nichts.
Irene's Reaktionen auf Enttäuschungen sind unterschiedlich: Mal zieht sie sich in ihr Schneckenhaus zurück und ist, vielleicht wochenlang, nicht ansprechbar. Mal zetert sie los, mit allem, was Stimmbänder hergeben und allem, was ihre Kampfrhetorik an Formulierungen erlaubt. Das ist auch jetzt ihre Reaktion.
"Du widerliches Schwein! Mußt du es denn mit jeder treiben?"
Chrejene und ich trennen uns. Ein weiterer Vorteil der in der Granitbeißerwelt üblichen Bekleidung: Es ist kein hastiges Anziehen der Klamotten notwendig, weil wir uns ja gar nicht ausgezogen haben. Diese Peinlichkeit bleibt mir erspart. Sogar die Schwerter sind, wie üblich, einsatzbereit umgegürtet. Wenn Irene nur wenige Sekunden später gekommen wäre, dann hätte sie nichts mehr gesehen, was irgendeinen Verdacht rechtfertigen würde.
"Es reicht mir! Ich werde mich scheiden lassen!"
Man muß es auf dem ganzen Schiff hören, auch wenn man es nicht verstehen kann. Die Worte nicht. Den Tonfall schon. Ich sehe die ersten Gesichter hinter Irene auftauchen, neugierig und verwundert.
"Schon wieder?" frage ich. "Können wir das nicht ein andermal in Ruhe durchdiskutieren?"
Es wäre mir wirklich lieber. Durch diese innereheliche Diskussion müssen wir unter den gegebenen Umständen wohl durch. Aber das muß nicht jetzt und nicht so sein. Ich stelle fest, daß die Situation für einen Schiffskommandanten nicht akzeptabel ist: Er läßt sich von jemandem anderem zusammenbrüllen. In dieser Welt nützt mir mein korrekter und sachlicher Tonfall überhaupt nichts, im Gegenteil: Er wird mir als Schwäche ausgelegt werden. Ich muß sofort etwas unternehmen, um diese Situation für alle sichtbar zu beenden. Sonst bin ich die längste Zeit Schiffskommandant gewesen. Und unser Überleben steht dann auch in Frage. Meins und das von Irene.
"Was willst du da noch durchdiskutieren? Ich habe doch alles gesehen!"
Ich wende mich an Chrejene und flüstere ihr in Xonchen zu:
"Kannst du ihr das Schwert abnehmen, ohne sie zu verletzen? Hörst du! Ohne sie zu verletzen?"
Sie nickt.
"Dann tu es!"
Chrejene schießt wie ein Blitz nach vorne, übereifrig, etwas für mich tun zu können. Ehe Irene wieder Luft holen kann, steht Chrejene vor mir und übergibt mir Irene's Schwert. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß genügend Besatzungsmitglieder dies gesehen haben.
"Irene, du bist jetzt still!"
Sie ist auch einen Moment still, aber nur deshalb, weil sie immer noch an sich herumsucht, was Chrejene sonst noch an ihr angestellt haben könnte. Aber sie hat bloß kein Schwert mehr. Das ist alles.
"Du bist jetzt still. Sonst muß ich dich auch fesseln lassen!"
"Das wagst du nicht!"
Hinter Irene, auf dem Vorderdeck, steht jetzt der größte Teil der Besatzung und sieht uns interessiert zu. Natürlich, es ist für alle von Interesse, welchen Tonfall man sich bei diesem Kommandanten erlauben kann. Cherkrochj hätte Irene an meiner Stelle schon längst enthauptet. Begreift die Irene das denn nicht? Ich bin sicher, daß Cherkrochj jetzt in unserem Masthaus die Ohren spitzt. Und überhaupt - wie kommt Irene dazu, nicht mehr auf Cherkrochj aufzupassen?
"Ich wage hier alles! Du bist jetzt still! Wer paßt jetzt auf Cherkrochj auf?"
"Das ist mir scheißegal! Mit ihr hast du es doch auch getrieben! Und dann noch mit ..."
Ihre Stimme überschlägt sich nahezu. Eine äußerst unangenehme Tonlage. Ich deute auf die bereitliegenden Taurollen und auf Irene. Chrejene begreift sofort.
74.3 Irene's Fesselung
"Nicht verletzen!" rufe ich noch. Chrejene winkt sich Assistenz herbei, und in wenigen Minuten ist die zeternde und protestierende Irene zur Bewegungslosigkeit verschnürt.
Das aber gibt mir einen Stich ins Herz. Ich weiß wohl, wie diese Situation der Hilflosigkeit schmeckt. Wie unwürdig das ist. Wenn Irene doch einsähe, daß ein Seitensprung im Moment wirklich nicht unser Kardinalproblem ist!
"Du Schwein!" wiederholt sie. Wenigstens auf Deutsch.
"Chrejene, sorg dafür, daß sie in das vordere Masthaus gebracht wird. Unverletzt. Jemand soll zur Bewachung dableiben. Und dann komm zurück. Wir sind mit unserer Besprechung noch nicht fertig!"
Als Irene von zwei Frauen der Besatzung davongetragen wird, sagt sie nichts mehr. In ihren Blicken ist der ganze Schmerz einer unverstandenen, unschuldig bestraften Kreatur. Ihr Mann geht fremd, und sie wird bestraft. Wie könnte ich da Einsicht oder Verständnis verlangen? Es tut mir weh.
Aber ich bin Kommandant eines Saurierfängers der Granitbeißer. Ich darf mir keine Schwäche anmerken lassen. Ich darf nicht anders handeln. Sonst sind wir beide tot.
Sowie sich die Aufregung gelegt hat, werde ich sie wieder auf freien Fuß setzen, ihr das Schwert zurückgeben und versuchen, ihr klarzumachen, daß ich so handeln mußte. Vielleicht wird sie es einsehen. Vielleicht auch nicht.
74.4 Chrejene's Ausbildung
Dann komme ich endlich zu einer vernünftigen Besprechung mit Chrejene, wozu wir wieder unseren Platz unter dem Bugspriet aufsuchen. Was kann sie, was hat sie schon gemacht, hier an Bord und anderswo, wie ist sie aufgewachsen?
Schuß in den Ofen. Ich könnte mich schwarz ärgern. Ihre Kenntnisse und Fertigkeiten fallen weit hinter denen von Charmion zurück. Erschreckend weit.
Sie kann keine Karten lesen. Sie kennt die wenigen Navigationsmethoden der Granitbeißer nicht. Der Aufbau der Takelage ist zu kompliziert für sie. Sie weiß weder, wie man Tuch noch wie man Seile herstellt. Von der Schmiedekunst weiß sie nur, daß es so etwas gibt.
Zu ihren Pflichten gehörte auch das Umladen des Fleisches. Sie weiß, wie man das macht. Sie weiß aber nicht, warum man das macht. Und beim Zerlegen eines erlegten Sauriers hat sie bis jetzt nur unter Anleitung gearbeitet.
Die Arbeit in der Takelage ist ihr unangenehm. Das erste Mal höre ich von einer Granitbeißerin das Zugeständnis von leichten Anfällen von Höhenschwindel. Nichts, was wirklich auffällig wäre, sie fühlt sich da oben wahrscheinlich immer noch viel sicherer als ich. Aber für eine Granitbeißerin ...
Sie kennt die notwendigsten Kampftechniken, soweit sie jede Granitbeißerin kennt, und diese auch leidlich gut. Aber ein solches Vorgehen, wie es zum Beispiel Charmion bei diesem Fischsaurier gemacht hat, das würde sie sich nie wagen. Auch merke ich erst jetzt, was für ein seltsames Schauspiel es gewesen sein muß, als ich sie rumschickte, um jedem Besatzungsmitglied die Loyalitätsfrage zu stellen. Sie hätte gar nicht ernsthaft jemanden gegen deren Widerstand liquidieren können. Und jede an Bord muß das gewußt haben!
Ich fürchte, mit Chrejene habe ich voll in die Scheiße gegriffen. Sie ist nichts und sie kann nichts. Als ich ihren familiären Hintergrund erfrage, finde ich auch ungefähr heraus, woran das liegen könnte: Die Frau Mama hat ihr fast alles abgenommen, jede Schwierigkeit während des Heranwachsens. Das ging soweit, daß Chrejene nie etwas besonderes lernen mußte.
Wieso fährt sie überhaupt auf einem Saurierfänger, will ich wissen. Aus Versehen. Sie hat sich etwas anderes darunter vorgestellt. Jemand muß ihr vorgemacht haben, daß man als Frau an Bord eines Saurierfängers zur Führungsschicht gehört. Daß diese Führungsschicht aber auch sehr tiefe Ausläufer hat, das hat sie dann gemerkt. Sie hat sich dann eben in ihre Rolle als Mädchen für alles dreingefunden. Bloß nicht auffallen - irgendwann wird die Reise zu Ende sein. Und dann - nie wieder!
Und jetzt hat sie mit dem Kommandanten geschlafen. Und spezielle Aufträge für ihn ausführen müssen. Oder dürfen. Ich begreife jetzt, was für eine Aufwertung ihrer Person sie empfinden muß. Es fehlt nicht viel, und sie wird meinen, auf dem Wasser schreiten zu können!
Als sie wieder anfängt, davon zu reden, was ihre liebe Mama alles für sie getan hat, und wie sie doch meint, daß ihr ein so bequemes Leben wie in ihrer Jugend doch zustände, bremse ich sie. Ich will nicht mehr hören. Jetzt soll sie mir zuhören:
"Also, Chrejene, du meinst, daß du der Position der stellvertretenden Kommandantin gewachsen bist?"
Sie nickt eifrig. Ein heftiges Kopfschütteln wäre angebrachter. Dann wird jetzt die schwierige Aufgabe auf mich zukommen, ihr beizubringen, daß sie noch nicht auf dem Wasser schreiten kann.
"Okay. Dazu ist es notwendig, daß du dir ein paar Fähigkeiten aneignest. Verstehst du das?"
"Ja!"
"Gut. Harpunen brauchst du natürlich nicht mehr zu putzen. Du wirst deine Zeit anders nutzen. Wir haben jetzt noch - " ich blicke auf die Uhr, "etwa eine Stunde bis zur Schlafperiode. Du gehst auf die Brücke und läßt dir die Karten erklären. Du kannst dir etwas zu essen bringen lassen, aber du verwendest deine ganze Zeit zum Studium. Klar?"
"Klar!"
"Gut. Du bist die ganze Nachtschicht über wach und paßt darauf auf, daß alles seinen geordneten Gang nimmt. Niemand darf zu uns ins vordere Masthaus hinauf. Du selbst überprüfst in unregelmäßigen Abständen, ob wir ruhig schlafen. Damit dir die Schlafperiode aber nicht zu langweilig wird, führst du dein Kartenstudium fort. Morgen werde ich dich prüfen. Du mußt mir dann ganz genau unseren bisherigen und unseren zukünftigen Kurs erklären können. Klar?"
"Ja."
"Es sind ständig zwei Steuerleute auf der Brücke. Du sollst ihre Wacheinteilung von morgen an ändern dürfen, und zwar so, daß ständig einer dort ist, der über ein gewisses Spezialwissen verfügt: Nicht nur Navigation, nein, auch Zimmerei, Seiledreherei, Segelnähen, Schmiedekunst, Essenszubereitung, Proviantierung, Wetterkunde, Schiffsbau. Du darfst deinen Lehrplan selbst zusammenstellen, und ich überprüfe das. Ab morgen Nacht darfst du auch wieder schlafen, nur diese Nacht geht das noch nicht, weil du Navigation als allererstes lernen sollst. Klar?"
Sie nickt, irgendwie schon weniger begeistert.
"Tagsüber, wenn die meisten wach sind, wirst du praktische Arbeiten übernehmen. Es reicht nicht aus, daß du nur ganz wenige Tätigkeiten aus eigener Anschauung kennst. Du wirst dir nicht nur erzählen lassen, wie man Segel näht, du wirst es selbst tun. Du wirst auch selber Seile drehen und selbst in der Küche Schmiedearbeiten erledigen, wenn es welche zu tun gibt."
Sie sieht mich sehr zweifelnd an. Ich komme erst so richtig in Fahrt:
"Ich möchte, daß du mir auf einem Blatt Papier die inneren Organe der wichtigsten Saurierarten aufzeichnen kannst. Auch über ihre Gewohnheiten sollst du Bescheid wissen. Finde heraus, wer jetzt auf diesem Schiff das am besten kann - die wird deine Lehrerin und deine Prüferin! - Und ich werde dabei sein. Bei dieser Prüfung und bei jeder Prüfung werde ich dabei sein. Hast du das verstanden?"
Sie nickt bekümmert. Wahrscheinlich hört sich mein Ausbildungspragramm zu sehr nach Arbeit an.
"Vielleicht fallen mir noch weitere Dinge ein, die ein Schiffsoffizier wissen muß. Ich werde dich darüber nicht im unklaren lassen. Ich will, hörst du, ich will, daß du dich mit deiner ganzen Kraft diesen Studien widmest. Du bist noch jung. Du kannst es. Und bis du soweit bist, werden wir nicht mehr miteinander schlafen, und du wirst auch mit sonst niemandem schlafen. Wenn es dich juckt, dann steckst du dir selber einen Finger rein. Begriffen? Dann an die Arbeit. Da ist die Brücke!"
Eine völlig verwirrte Chrejene zieht von dannen. So hat sie sich ihre neue Position nicht vorgestellt. Aber noch hat sie diese Position ja nicht.
Für diese Nacht, wenigstens, habe ich ihr Wachsein befohlen. Sie wird auf das Schiff und auf uns aufpassen. Es wird keine 'Palastrevolution' geben, weil der Besatzung erst einmal klar werden muß, was ich eigentlich vorhabe. Morgen sehen wir weiter.
Dann gehe ich in mein Masthaus hinauf. Mal sehen, ob man mit Irene reden kann.
74.5 Verhandlungsangebot
Ich schicke die Wache weg und nehme Irene die Fesseln ab. Cherkrochj bleibt gefesselt liegen. Ich weiß nicht, ob die beiden miteinander gesprochen haben. Jeder Versuch, mit Irene zu sprechen, bleibt natürlich ohne Erfolg. Sie bleibt verstockt auf ihrem Lager liegen. Und ist es nicht nur zu verständlich?
Ich sage ihr - natürlich auf Deutsch - daß sie recht hat. Ich hätte mich nicht von Chrejene verführen lassen dürfen. Und daß Chrejene eine Flasche ist, was ihre Fähigkeiten betrifft. Eine Null. Und daß Irene verstehen muß, daß ich als Kommandant dieses Schiffes ihre Schimpfkanonade nicht auf mir sitzen lassen durfte, und daß alles nur zu dem Zweck geschieht, uns wieder sicher nach Hause zu bringen.
Was ich ihr nicht sage ist, daß ich sie liebe. Erstens gehen mir solche Klischees sowieso schwer über die Lippen, und zweitens weiß ich wirklich nicht, ob es stimmt. Charmion habe ich geliebt, glaube ich. Chrejene hat meine Drüsen erleichtert. An Irene bin ich gewöhnt. - Natürlich sage ich so etwas nicht. Aber ich kann auch nichts statt dessen sagen. In diesen Dingen lüge ich nie. Vielleicht merkt Irene das.
Dann lege ich mich auf mein Lager. Noch während ich überlege, ob die Wache nun dafür gesorgt hat, daß Cherkrochj zu essen bekam und ihren Darm entleeren durfte, falle ich in Schlaf. Sie wird sich schon melden, wenn sie etwas will.
74.6 Navigationsrätsel
Als ich pünktlich um 17 Uhr aufwache, ist das erste, was ich feststelle, als ich aus den Fenstern des Masthauses sehe, daß wir das Wasserstraßengebiet vor vielleicht einer Stunde verlassen haben. Außerdem scheint der tägliche Schiffsbetrieb wie gewöhnlich anzulaufen. Auf der Brücke kann ich eine übermüdete Chrejene erkennen.
Die Wasserfläche dehnt sich rundherum wieder viele Kilometer weit in jede Richtung aus. In die Richtung, aus der wir gekommen sind, ist die dort flache Küste noch am nächsten, sonst bietet sich das in der Welt der Granitbeißer häufige Bild der großen Felssäulen, die die leuchtende Wolkendecke zu tragen scheinen, obwohl sie erst viel höher mit der eigentlichen Höhlendecke verschmelzen, und die von einem felsigen Vorgebirgen umgeben sind, das sich mehr oder weniger abrupt aus dem Wasser erhebt. In den größten Entfernungen, die der Blick zwischen den Säulen hindurch erlaubt, wechseln dunkle Ausläufer der Welthöhle mit kaum mehr erfaßbaren Abzweigungen der Welthöhle ab. In anderen Richtungen wieder beenden graue, entlegene, unwirtliche und in ihrer Größe kaum einzuschätzende Felswände diese Welt.
Ich habe nicht viel Zeit, die Aussicht zu betrachten. Routineaufgaben. Cherkrochj muß versorgt werden, damit sie mir nicht verhungert. Sie hat immer noch kein Wort des Protestes geäußert, jedenfalls so lange nicht, wie ich in Hörweite bin. Weil das oft genug nicht der Fall ist, hätte sie Zeit genug für lange Gespräche mit Irene und mit den Besatzungsmitgliedern, die das vordere Masthaus betreten müssen. Sie könnte also ohne weiteres Pläne gegen mich schmieden und verschiedene Mitglieder der Besatzung darin involvieren. Ich weiß es nicht.
Irene schweigt und erhebt sich nur von ihrem Lager, wenn es unbedingt notwendig ist. Ich muß ihr Zeit geben. Dabei weiß ich, daß es durchaus nicht günstig ist, wenn jede, die im vorderen Masthaus zu tun hat, sieht, daß sie nicht mehr gefesselt ist. Das wird sich herumsprechen. Über kurz oder lang wird man sich fragen: Kann man denn mit diesem Kommandanten beliebig umspringen? - Ich erwische mich bei dem Gedanken, daß ich unter den Mitgliedern der Besatzung jemanden suche, an der ich Strenge demonstrieren kann. Bislang jedoch gibt mir niemand dazu Anlaß.
Auf die Brücke. Chrejene ist dort, über Karten gebeugt, Chibargch und Chromargue, die offenbar die Hauptarbeit der Naviagtions- und Steuerarbeit unter sich verteilen.
Chrejene sieht übermüdet aus. Ich weiß natürlich, wie wenig dieser Zustand aufnahmefähig macht, ganz besonders, wenn es um völlig neuen Lehrstoff geht. Ich mache mir also wenig Illusionen darüber, wie viel sie in dieser Schlafperiode gelernt haben könnte. Es ist aber wichtig, daß sie selbst begreift, daß Fachkompetenz einem nicht so einfach zufliegt.
Ich erinnere mich plötzlich, daß ich schon seit Tagen in Erfahrung bringen wollte, was aus Chechmon geworden ist. Sie ist mir in der ganzen Zeit, seitdem ich an Bord dieses Schiffes bin, noch nicht über den Weg gelaufen. Also ist sie wahrscheinlich nicht an Bord.
Vielleicht ist das der Grund, daß ich unbewußt diese Frage solange aufgeschoben habe: Wenn sie nicht an Bord ist, dann ist sie entweder nach der Ankunft bei Casabones von Bord gegangen, oder sie ist woanders von Bord gegangen, oder sie ist tot. Ich weiß inzwischen aber, daß woanders niemand von Bord gegangen ist. Wenn sie also nicht aus anderen Gründen verschwunden ist, dann ist sie in Casabones von Bord gegangen, und dann war sie bei der Besatzung des Unterforts und ist bei der Eroberung desselben ums Leben gekommen, entweder gleich oder kurz danach - Osont's Leute haben ja niemanden am Leben gelassen.
Wenn das der Fall ist, dann hat sie den Weg in eine der Vorratskammern der sechs Schiffe gefunden, wenn sie nicht gleich bei dem Gelage im Unterfort verspeist worden ist. Und wenn das der Fall ist, dann besteht eine wesentliche Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie bereits gegessen wurde - und vielleicht auch von mir.
Als ich nachfrage, erfahre ich, daß es genauso ist. Chibargch kann sich erinnern: Chechmon ist in Casabones von Bord gegangen. Ich erfahre nicht, warum. Es ist jetzt auch egal.
Damit sind die beiden Frauen, mit denen wir als allererste in der Welt der Granitbeißer intensiv geredet haben, weil sie unsere Sprachlehrerinnen waren, bereits tot: Chrwerjat beim Aufstieg auf Casabones abgestürzt, und Chechmon von Osont's Leuten umgebracht.
Manchmal möchte ich wissen, womit wir eigentlich unser bisheriges Überleben verdient haben.
Ich lasse Chbesmoi holen. Das Donnernde Meer, die Salzigen und die Braunen Quellen. Wir müssen den weiteren Kurs festlegen. Jetzt, außerhalb des Wasserstraßengebietes, müssen wir uns nämlich entscheiden. Oder, um genau zu sein, ich muß mich entscheiden.
Chibargch und Chromargue wissen genau den Kurs nach Grom. Dem folgen wir im Moment noch. Chbesmoi weiß so ungefähr den Kurs ins Donnernde Meer. Der Beschreibung nach müßten wir fast rechtwinklig nach links ausweichen.
Die drei Frauen gucken relativ verblüfft, als ich plözlich aufspringe und die Brücke verlasse. Mein Kompaß! Ich will jetzt endlich wissen, in welche Richtung wir wirklich fahren. Meinem Gefühl nach müßte es immer noch nach Norden sein, aber vielleicht denke ich das nur, weil wir vor Casabones, wo ich das letzte Mal auf meinen Kompaß sehen konnte, nach Norden gefahren sind, und weil ich ganz langsame, trendmäßige Richtungsänderungen unterwegs natürlich nicht wahrgenommen habe.
Im vorderen Masthaus wühle ich mich durch meinen Rucksack. Irene beobachtet mich, sagt aber immer noch nichts, und die gefesselte Cherkrochj sieht die Wand des Masthauses an.
Ich probiere den Kompaß auf der Stelle. Er funktioniert.
Unsere Fahrtrichtung ist genau magnetisch Nord!
Darauf kann ich mir etwas einbilden, auch wenn es vielleicht pures Glück ist. Aber daß mein Orientierungsinstinkt auch in dieser fremden Welt so präzise funktioniert, konnte ich von vornherein nicht erwarten. Eher ist da folgende Überlegung plausibel: Wenn es in der verzweigten Welthöhle von einem Punkt A zu einem anderen Punkt B mehrere Wegalternativen gibt, dann wird eine ortskundige Schiffskommandantin höchstwahrscheinlich den kürzesten und direktesten Weg einschlagen. Das ist dann aber auch derjenige mit der geringsten Variation der Fahrtrichtungen unterwegs.
Ich knie mich neben Irene's Lager hin:
"Antworte mir jetzt nicht! Das brauchst du nicht. Aber ich habe mir vorgenommen, daß ich uns wieder nach Hause bringe! Dazu ist jetzt eine Kursänderung notwendig. Die Besatzung wird das merken. Die wollen aber alle nach Grom. Da wird es ihr ..." ich deute mit einer Kopfbewegung auf Cherkrochj, die sich wieder vergeblich bemüht, meinen deutschen Worten zu folgen, "Da wird es ihr eventuell leichter fallen, diese entstehende Unzufriedenheit auszunutzen. Unterbinde jedes Gespräch zwischen ihr und denen, die hier zu tun haben, ja? Es ist wichtig! Sie darf sich nicht als Verfechterin dessen darstellen, was die Besatzung eigentlich will. Es wird ohnehin schon schwierig genug."
Irene antwortet nicht. Ich streichele ihr kurz die Wange und stehe dann auf, um wieder auf die Brücke zu gehen.
"Vergiß dieses Mädchen da! Sie ist unwichtig. Sie war geil und hat mich richtig reingezogen - wörtlich. Ich brauchte und brauche ihre Kooperation - deshalb habe ich sie nicht energisch genug von mir ferngehalten. Es wird nicht wieder vorkommen - ich habe sie mit Arbeit versorgt. Glaube mir!"
Ziemlich banal - dieses 'es wird nicht wieder vorkommen' pflegen Ehemänner nach einem aufgeflogenen Seitensprung in diesen oder ähnlichen Worten immer zu sagen. Ich glaube auch, daß ich das eigentlich sagen darf: Bis auf diese fast schon elf Wochen in der Welt der Granitbeißer war mein Verhalten als Ehemann, in dieser Beziehung wenigstens, untadelig. Ich glaube, ich kann die Berufung auf eine gewisse Ausnahmesituation für mich in Anspruch nehmen. Das wird auch die Zeit nach unserer Rückkehr nach Hause zeigen. Aber natürlich - das ist jetzt für die Irene ein kleiner Trost. Dazu sind ihr manche Erinnerungen noch zu frisch im Gedächtnis. Ja, und vielleicht macht es meine frühere vorbildliche eheliche Treue noch etwas schwerer: Wenn sie schon von jeher gewohnt wäre, daß ich in fremden Revieren jage, dann wären diese jetzigen Seitensprünge nichts prinzipiell neues mehr. Aber das habe ich nicht einmal getan, während wir zeitweise getrennt lebten.
Weil Irene immer noch keinen Ton sagt, verlasse ich das Masthaus wieder.
Wieder auf der Brücke angekommen mache ich die vier anwesenden Frauen sofort einmal mit dem Kompaß vertraut. Sogar die übermüdete Chrejene läßt sich Erstaunen anmerken, aber Chromargue bringt es auf den Punkt:
"Man sieht doch, wo man ist und in welche Richtung man fährt! Wozu braucht man denn so ein Ding?"
Nicht, daß es so etwas gibt und daß und wie es wohl funktioniert, erstaunt sie, sondern der reine Standpunkt der Nützlichkeit.
"In eurer Welt vielleicht. Aber auch da schon nicht mehr, wenn zum Beispiel dichter Nebel ist. Dann sieht man keine Merkmale an Land. Und in unserer Welt sind die Ozeane so groß, daß man überhaupt kein Land mehr sieht, wenn man nur ein bißchen auf sie hinaus fährt!"
"Wieso sieht man das Land nicht mehr? Es kann doch höchstens etwas weiter weg sein, aber dafür überblickt man mehr auf einmal! Es ist doch auf jeden Fall so, daß rundherum, in jede Richtung, irgendwo eine Küste kommt, und wenn die Entfernung noch so groß ist!"
Nun bin ich wieder eine Weile damit beschäftigt, etwas von der Kugelgestalt der Erde zu erzählen. Und wieder einmal stelle ich fest, daß Konzepte, die einem selbst einfach und primitiv erscheinen, bloß weil man sie von Kindesbeinen an kennt, für jemanden, der in einer ganz anderen Gedankenwelt aufgewachsen ist, völlig unverständlich sind. Keine der Anwesenden kann mir folgen. Als ich das merke, biege ich das Thema auf das Naheliegende zurück:
"Wie dem auch sei: Chrejene! Du kennst dich jetzt ja in den Karten aus! Kannst du mir das Donnernde Meer zeigen?"
Kann sie nicht. Und wie ein Schulmädchen versucht sie, zu verbergen, daß sie es nicht kann.
Chbesmoi sagt leise zu mir: "Kommandant! Sie kann es dir nicht zeigen können! Ich glaube kaum, daß wir Karten haben, die so weit reichen. Das Donnernde Meer ist zu gefährlich und wird deshalb selten befahren. Deshalb gibt es wenige Karten aus der Gegend."
"Okay," sage ich, "das hätte Chrejene mir aber auch selbst sagen können, nicht wahr, Chrejene? - Es ist nicht nur wichtig, daß man etwas weiß und etwas kann, sondern man muß auch wissen, was man nicht mehr weiß und nicht mehr kann."
Chrejene nickt brav, als ob sie mir zustimmen würde. Dabei braucht es eine lange Erfahrung, bis man in der Lage ist, diese Lebensweisheit zu glauben, weil man erst an Beispielen erfahren haben muß, wohin Selbstüberschätzung führen kann.
"Okay," sage ich, "also: Welchen Kurs fahren wir jetzt ins Donnernde Meer?"
74.7 Kursänderung
Einen Moment Stille.
"Wohin fahren wir?" frag Chibargch.
"Ins Donnernde Meer. Du hast richtig gehört."
Chibargch und Chromargue sehen sich mit schwer zu interpretierendem Gesichtsausdruck an. Es ist eine Mischung zwischen Verwunderung und eventuell auch Unbehagen.
"Was wollen wir denn da? Wir haben Fleisch in Grom abzuliefern! Da warten schon Schiffe, um Teile unserer Ladung weiter zu befördern!"
"Wir werden, nachdem wir im Donnernden Meer waren, nach Grom fahren. Es ist nur ein Umweg."
"Aber warum?"
"Weil ich es so möchte."
Das ist natürlich eine wenig überzeugende Begründung.
"Wir können nicht dahin fahren." wirft Chromargue ein, "Bei den jetzt vorherrschenden Windrichtungen können wir die notwendige Fahrtrichtung nicht einhalten!"
"So. Und wie kommt man üblicherweise dahin?"
"Es gibt seltene Wetterlagen, bei denen die Windrichtungen sich sehr stark verändern. Dann ist es gelegentlich vorgekommen, daß Schiffe dahin verschlagen wurden. Anders ist es nur mit großen Umwegen möglich."
Ich sehe Chbesmoi an: "Wir müssen aber dahin! Den Grund werdet ihr später erfahren."
Ich erinnere mich, daß ich, bevor wir nach Casabones kamen, versucht habe, etwas über hier unbekannte Segelschiffstechnologie zu vermitteln, nämlich die Verwendung von Kielen oder Schwertern, um Höhe am Wind gewinnen zu können. Ich habe es Charmion und Chrwerjat erklärt, vielleicht auch Cherkrochj. Charmion und Chrwerjat sind tot, und auf die Kooperation von Cherkrochj will ich mich nicht verlassen. Mit anderen Worten: Meine damaligen Bemühungen waren vergebens. Ich muß von vorne anfangen.
Genau das tue ich. Aber da ich Chibargch und Chromargue nicht zu sehr von ihrer derzeitigen Navigationsarbeit abhalten will, denke ich, daß es das geschickteste ist, erst einmal Chrejene in diese Technologie einzuweihen. Sie muß es dann weitervermitteln. Wird vermutlich auch ihre Stellung an Bord etwas festigen, wenn sie etwas weiß, was andere nicht wissen. Wenn ich es in ihren Kopf hineinkriege.
"Den Kurs sollt ihr soweit links halten wie möglich. Ab sofort!" ordne ich an, "Es wird nicht reichen, aber wir werden demnächst etwas neues ausprobieren. Chrejene: Besorge Papier und komm zu uns in das vordere Masthaus! - Die Karten kannst du erst einmal zur Seite legen. Darum kümmern wir uns später."
"Es werden Fragen aus der Besatzung kommen," sagt Chibargch, "die meisten kennen den Kurs nach Grom. Was soll ich sagen?"
"Daß wir noch weitere reiche Beute machen werden!"
Chibargch und Chromargue sehen mich an, als ob sie es nicht glauben. Kein Wunder. Ich glaube es auch nicht.
Ich habe das nächste Unterrichtsgespräch mit Chrejene in das vordere Masthaus verlegt, damit Irene dabei ist und sieht, welch bescheidenen Geistes die Chrejene ist. Irene kennt mich und sollte wissen, daß ich mich unmöglich ernsthaft für eine derartige Frau interessieren kann. Hoffentlich funktioniert das.
Irene liegt immer noch auf ihrem Lager. Ist auch nicht gut, wenn sie sich so wenig bewegt, denke ich - wir werden noch Fitness brauchen, wenn wir wieder nach oben steigen. Aber im Moment ist sie immer noch dabei, meinen Seitensprung zu verdauen.
Sie reagiert nicht, als Chrejene und ich uns den größten freien Platz auf dem Boden aussuchen und die Papiere ausbreiten. Ich fange an, zu erklären.
Es ist fürchterlich. Chrejene hat nicht das geringste Maß an Abstraktionsvermögen. Kraftverktoren? Charmion und Chrwerjat hatten das begriffen. Chrejene nicht. Ich versuche es mit den einfachsten Beispielen. Dann denke ich daran, daß sie völlig übermüdet ist - nach einer durchwachten Nacht habe ich auch manchmal mit einfachen Sachverhalten Begriffsschwierigkeiten. Meine Uhr zeigt Mitternacht mitteleuropäischer Zeit an, als ich sie endlich soweit habe, daß sie weiß, daß eine harte, senkrechte Fläche unter einem Segelschiff zur Steuerung verwendet werden kann. Wie das funktioniert hat sie aber nicht begriffen.
Ich gebe auf.
Copyright © Josella Simone Playton
2000-09-15 14:00:00
Zurück zu meiner Hauptseite