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******** 067. Tag: Dienstag 95-10-24 ********
67.1 Krankenpflege
Die Fahrt geht in ruhiger Ereignislosigkeit weiter. Langsam scheint sich die Richtung wieder nach rechts zu verändern. Der Wind kommt bereits nicht mehr genau von rechts, sondern bereits etwas von achtern. Aber das Staken läßt sich noch nicht vermeiden.
Gegen 2 Uhr sichten wir eine Herde großer Pteranodons, die über uns hinwegzieht - oder wie diese Flugsaurier auch einklassifiziert werden sollen. Sie müssen nicht das geringste mit den Flugsauriern zu tun haben, die die Evolution seinerzeit auf der Erdoberfläche entwickelt hat und von denen Fossilien übriggeblieben sind. Wenn ich mich richtig erinnere, sind unsere fossilen Pteranodons auch viel kleiner.
Aber ob die Bezeichnung nun richtig ist oder nicht - wir beobachten sie aufmerksam, wegen der unspezifischen Gefahrenhinweise auf den Karten. Wenn diese etwa achtzig Tiere mit ihren Spannweiten um 30 Meter uns gegenüber aggressiv geworden wären, hätten wir Schwierigkeiten gehabt. Aber sie ziehen vorbei, ohne sich um uns zu kümmern.
Ich versuche, aus der Erinnerung diese Tiere mit dem Flugsaurier zu vergleichen, den wir beim Aufstieg auf Casabones bekämpft haben und bei dem Chechmirch abgestürzt ist, während sie mit ihm so heldenhaft gekämpft hat. Ich glaube, der wurde 'Rhchochchider' oder so ähnlich genannt, aber ich weiß nicht mehr genau. Ochaum kennt diese Bezeichnung überhaupt nicht. Aus der Erinnerung erscheint mir der Rhchochchider größer, aber ich kann mich auch irren. Dann erinnere ich mich aber auch, wie furchtbar Chechmirch verletzt war, als wir sie das letzte Mal aus der Nähe sahen, bevor sie mit dem Urtier zusammen abstürzte. Mich beschleicht das Gefühl, daß ich damals vielleicht etwas hätte tun können, um das zu verhindern. - Aber ich glaube, das war einer der wenigen Fälle, wo ich tatsächlich keine Chance hatte, durch mein Eingreifen die Situation zu verschlechtern oder zu verbessern.
3 Uhr. Wir sind an den Einmündungen einiger schmaler aber langgezogener Buchten rechts und links vorbeigefahren. Diese waren so lang, daß man von den Schiffen aus nicht definitiv feststellen konnte, ob es sich eventuell gar nicht um Buchten, sondern um die Abzweigung echter Wasserstraßen gehandelt hat, ähnlich der, der wir mit unserer Flotte folgen. Eigentlich ist es nur deren Schmalheit gewesen, die mich veranlaßt haben, anzunehmen, daß es Buchten waren. - Mit maßstäblich genau gezeichneten Karten wäre das alles viel einfacher.
In einer dieser Einmündungen sehe ich am Ufer etwas, was meine Neugier und meine Phantasie sofort erregt. Es sieht zunächst wie große, dichtbewachsene Felsen aus, steil und unwegsam und trotz des Bewuchses offenbar schwer zu erklettern. Auf diesen Felsen eine kleine Burg zu bauen, denke ich - absolut uneinnehmbar! Und die Aussicht!
Dann aber erkenne ich: Es sind mächtige Bäume. Diese müssen über 120 Meter hoch sein, manche sogar 160 Meter, und wo man weiter unten den Stamm erkennen kann, ist dieser enorm gedrungen und massiv und so dick, daß man in den Stamm sogar noch in halber Höhe eine Aushöhlung hineinschlagen könnte, die einer ganze Wohnung Platz bieten würde, ohne die Stabilität des Baumes zu gefährden!
Was die Evolution sich bei diesem Größenwachstum versprochen hat, kann ich nicht erraten - schließlich erzwingen die Maßstabsgesetze ein sehr kleines Verhältnis von Dickenwachstum zu Längenwachstum und damit die Bindung großer Mengen Biomasse im Stamm. Ein solcher Baum kann ein ganzes Biotop für sich sein, Tieren Lebensraum bieten, die niemals während ihres Lebens diesen Baum verlassen müssen.
Unmittelbar werde ich an ein Bilderbuch aus frühester Kindheit erinnert. 'Die Waldschule' oder so ähnlich. Eine kleine Gruppe von Vögeln, die in einem riesigen Baum eine dorfartige Gemeinschaft haben: Wohnungen, Schulräume und dergleichen, alles in ausgehöhlten Abschnitten großer Äste, mit gezimmerten Plattformen davor, alles malerisch gelegen und alles in schwindelnder Höhe. Hat mich als kleinen Jungen wahrscheinlich sehr beeindruckt, denn sonst würde es mir jetzt nicht einfallen. Hier, in diesen Baumriesen, könnten sich tatsächlich mehrere Familien niederlassen!
Ich mache mir eine geistige Notiz. Vielleicht ist man einmal darauf angewiesen, sich irgendwo eine Zeitlang im Verborgenen aufzuhalten. So ein Riesenbaum wäre eine Möglichkeit dazu. Es gibt wohl nicht allzuviele davon, denn von dieser Größe habe ich hier noch keinen gesehen.
4 Uhr und 30 Minuten. Rechts taucht eine Rodung auf! Seit langer Zeit das erste Mal, daß wir wieder etwas sehen, was an menschliche Bearbeitung erinnert.
Jedenfalls nehme ich an, daß es eine Rodung ist. Es handelt sich um eine, soweit wir sehen können, quadratische Lichtung mit einer Kantenlänge von 400 Meter. Eine der Kanten wird durch das Ufer gebildet. Am linken Ufer gegenüber gibt es auch Lichtungen, aber sie sind kleiner und von unregelmäßiger Begrenzung.
Die Rodung ist von wildem Buschwerk bewachsen. Der Boden ist, besonders etwas weiter vom Ufer entfernt, leicht hügelig und steigt insgesamt etwas an - es kann sich also nicht um Sumpf handeln. Darüber hinaus sehen wir aber überhaupt nichts, was von Menschen gemacht ist: Keine Gebäude, keine Ruinen, keine Zäune, keine Wege. Nichts. Also eigentlich deutet nur die quadratische Form des Gebietes auf menschlichen Einfluß hin. Wenn die nicht wäre, dann würde ich annehmen, daß irgend etwas in der Bodenbeschaffenheit das Wachsen größerer Bäume verhindert.
Noch als diese Rodung längst unserem Gesichtsfeld entschwunden ist, mache ich mir Gedanken. Es kann kein Siedlungsversuch gewesen sein - wenn sowenig Zeit vergangen ist, daß noch keine größeren Bäume aufgewachsen sind, dann müßten eventuelle Gebäuderuinen immer noch erkennbar gewesen sein. Vielleicht war es eine Rodung, um Holz zu beschaffen, das für eine Flotte von Schiffen gebraucht wurde, die beschädigt war? Immerhin war es eine ganze Menge Holz, die da gebraucht wurde - von dem Holz, das man aus einem zehntel Quadratkilometer Urwald schlagen kann, sollte man mehrere vollständige Schiffe wie den Saurierfänger bauen können.
Jedenfalls, was immer es war, es hat nichts mit uns oder mit dem Saurierfänger zu tun - diese Lichtung ist vor Jahren geschlagen worden.
Dann vergehen wieder Stunden, in denen nichts zu sehen ist, was auf menschliche Aktivität schließen läßt. Mir kommt der Gedanke, ob diese Wasserstraße eventuell durch Menschen vor langer Zeit gebaut wurde, weil ja jede Strömung fehlt, die ihr flußartiges Aussehen erklären würde. Aber das wäre, für die technischen Mittel der Granitbeißer, ein immenses Projekt. Nicht nur das - eine künstliche Wasserstraße würde wahrscheinlich wieder zuwachsen. Sie müßte freigehalten werden, regelmäßig ausgebaggert. Nein, diese Wasserstraße ist nicht künstlich. Auch, wenn man die vielleicht überlegenen Mittel der Baumeister der toten Städte zugrunde legt.
8 Uhr. Obanque ist dem Delirium nahe. Hohes Fieber, dazu jetzt leidlich hart verkrampfte Bauchmuskeln. Ich habe angeordnet, daß er ständig vorsichtig mit Wasser abgerieben werden soll, um ihn zu kühlen. Eigentlich gehört er in eine Intensivstation. Ich nehme an, daß es sich in den nächsten Stunden entscheiden wird, ob er überlebt. Seine Wangen sind eingefallen, die Haut sieht aus wie die eines viel älteren Menschen. Der Mund ist trocken, ohne Speichel. Dehydration - es geht schneller, als ich dachte.
"Ochaum!" sage ich, "Ist das Wasser schon gekocht, wie ich es gesagt habe?"
Ochaum nickt.
"Er muß jetzt etwas zu trinken kriegen. Eine Handvoll jede Stunde. Mindestens. Sieh den Schweiß! Das muß kompensiert werden."
Ich kann nur hoffen, daß das Wasser das Coecum nicht erreicht. Aber noch ist Obanque ansprechbar. Wenn das nicht mehr der Fall ist, wird es unmöglich, ihm Flüssigkeit zuzuführen. Infusionen können wir hier nicht.
Obanque schlürft gierig aus der ihm hingehaltenen hohlen Hand. Viel geht daneben. Es ist viel zu wenig, ich sehe es ihm an. Ich fühle ihm noch einmal den Puls. Ich kann kaum mitzählen.
"Noch eine Handvoll!" sage ich, "wir müssen es riskieren! Und in einer halben Stunde noch einmal. Sonst bricht sein Kreislauf zusammen!"
"Sein was?" fragt Ochaum?
"Sein Kreislauf. So nennt man das Gesamtsystem des umlaufenden Blutes, mit allen Organen, die etwas damit zu tun haben."
Drei Leute kümmern sich jetzt ständig um Obanque. Einer sorgt dafür, daß ständig Wasser gekocht wird, einer verabreicht es ihm in Abständen in kleinen Dosen, und einer reibt ihn ständig mit Wasser ein.
10 Uhr. Sinkt das Fieber? Ich weiß es nicht. "Mehr Wasser!" sage ich. Wenn ganz langsam das Wasserangebot erhöht wird, dann kann sich eine entzündete Region zwischen Dünn- und Dickdarm vielleicht darauf einstellen, wenn dort plötzlich wieder etwas kommt. Außerdem, zum Abbauen einer Entzündung ist auch genügend Wasser im Gewebe erforderlich. Wenn ich nur etwas mehr aus den Lehrbüchern für Innere Medizin und Physiologie behalten hätte! Aber es ist nicht mein Fach - ich habe Physik und Informatik unter anderen auch deshalb studiert, weil eine Wissenschaft mit zuviel Einzelwissen mich überfordert hätte!
11 Uhr. Ich kann den Puls wieder messen. Doppelt so schnell wie meiner - das hatten wir schon. Also nimmt er ab. Fieber vielleicht auch.
"Mehr Wasser!" sage ich, "Nur nicht zuviel auf einmal!"
Dann bin ich wieder auf der Brücke. Jetzt erst fällt mir auf, daß sich eine ganz seltsame Stimmung auf dem Schiff breitgemacht hat. Zuerst war es so, daß sich niemand so besonders für den kranken Obanque interessiert hat. Bei dieser Art von Krankheit wird man sterben, na und? Der Tod ist für einen Granitbeißer allgegenwärtig, und die Speisekammer verträgt immer wieder eine Auffüllung. Obanque war praktisch abgeschrieben.
Jetzt aber zeigt es sich, daß es mit Obanque wieder bergauf geht. Vielleicht habe ich mehr Glück als Verstand, aber ich glaube, ich kriege ihn durch. Und die Mannschaft glaubt schon jetzt, daß ich es schaffe. Jeder will dabei sein - es gibt keinen Mangel an freiwilligen Händen, wenn es darum geht, Wasser abzukochen, Obanque zu waschen und ihm zu trinken zu geben. Jeder kommt einmal dran. Noch vor wenigen Stunden war das anders.
Ozedan, der andere Mann, der von dem zerstörten Schiff zu uns übergestellt worden ist, spricht mich mehrfach an. Er hat bemerkt, daß es offenbar Usus ist, bei einem Kranken die Vorgeschichte in Erfahrung zu bringen, und so meint er nun, alles mögliche, was er über Obanque weiß, mir mitteilen zu müssen. Ich weiß nicht, ob es sich um echte Begeisterung für die Kunst des Heilens handelt oder ob er sich bei mir Liebkind machen will. Alles, was er erzählt, ist medizinisch völlig belanglos, und ich muß ihn schließlich verbindlich, aber bestimmt, abwimmeln.
Dann endlich, um 13 Uhr - Obanque hat inzwischen soviel Wasser bekommen, daß ich denke, daß die Gefahr der Dehydration vorbei ist - fällt er in erschöpften Schlaf. Ich messe den Puls und schätze ihn auf etwa 90 bis 100. Die Männer sehen mich an und warten auf weitere Anweisungen.
"Laßt ihn schlafen, solange er schlafen kann. Es muß immer jemand bei ihm bleiben. Wenn er wach ist, wird er mehr zu trinken haben wollen. Er soll es kriegen. Aber noch keinen Bissen zu essen, verstanden? - Und er darf nicht aufstehen, wenn er auf die Idee kommen sollte. Das wird er aber nicht."
"Und wird er leben?" fragt Ohmenjenana, der sich sicher noch gut daran erinnern kann, was es heißt, selbst Todesangst zu haben.
"Er wird." sage ich, und zu Ochaum im Ruderhaus rufe ich hinauf: "Siehst du das Signal von Osont's Schiff? Schluß für heute! - Ach ja: Und ein bißchen leise, wenn's geht, ja? Gilt für jeden."
Als wenig später die Schiffe für die Schlafperiode zusammengelegt worden sind, kommt Osont auf unser Schiff hinüber und wirft einen Blick auf den schlafenden Obanque.
"Er hat Farbe bekommen!" stellt er fest. Mehr nicht. Schwer zu sagen, ob er enttäuscht ist, weil er nun doch nicht einer Operation beiwohnen wird. Aber er weiß, daß jeder hier weiß, daß Obanque durchkommen wird. Da kann er nicht mehr auf eine Laparotomie bloß so zum Spaß bestehen.
Jedenfalls habe ich in dieser Schlafperiode einen ruhigen und festen Schlaf. Die Gefahr, einen Menschen durch eine pseudomedizinische und mehr publikumsattraktive Maßnahme auf schauerliche Weise vom Leben zum Tode bringen zu müssen, ist gebannt.
67.2 Die ferne Sängerin
Ich wache vor der Zeit auf, weil einer der Männer von einem der anderen Schiffe, der offenbar Wache hat, mich schüttelt. 22 Uhr. Erst in einer Stunde etwa sollte die Schlafperiode zu Ende sein.
"Was ist denn los? Ist was mit Obanque?" frage ich. Da ich mir angewöhnt habe, auf dem offenen Deck zu schlafen, bin ich ja nur einige Meter von ihm entfernt.
Der Mann schüttelt den Kopf. Er legt die Finger auf die Lippen und dann hält er die Hand hinter das Ohr. Ist was mit Obanque, was man hören muß? Er scheint mir völlig ruhig zu schlafen. Als ich aufstehe und zu ihm hinübertrete, fällt mir auf, daß auch auf den anderen Schiffen bereits einige der Männer auf sind. Aber sie sehen nicht in unsere Richtung. Sie stehen still und lauschen und mustern dabei die Uferurwälder und die fernen, felsigen Säulen.
Jetzt höre ich es: Von ganz ferne dringt ein Singsang herüber. Eine weibliche Stimme. Manchmal geht sie völlig unter, und immer wieder wird sie überdeckt von irgendwelchen animalischen Lauten aus dem Urwald. Aber es ist völlig klar: Da singt jemand! Irene?
Unsinn. Irene singt nicht. Und wenn sie singt, dann singt sie falsch. Sie ist nicht besonders musikalisch. Und ihre Stimme ist es auch nicht, soweit ich das jetzt sagen kann.
Diese weibliche Stimme, die wir da hören, ist zwar auch nicht durch unsere Art von Musikausbildung geschult, aber die Melodieführung ist harmonisch und ganz eigenartig. Fremdartig wie alles in dieser Welt. Als ob sie von Dingen singt, die wir niemals sehen werden und niemals erfahren dürfen.
"Wie lange schon?" frage ich den Mann, der mich geweckt hat. Er deutet etwa 15 Minuten an.
"Ist Ochaum schon wach? - nein, laß ihn schlafen. Wer zufällig wach ist, soll einfach weiter horchen!"
Ganz so geht es nicht. Die Unruhe auf den Schiffen weckt über kurz oder lang alle auf. Als mein Blick wieder auf Obanque fällt, sehe ich, daß seine Augen weit offen sind. Auch er lauscht.
"Wie geht es?" frage ich ihn. Er sagt, daß er sich 'hohl' fühlt, und da sei ein ganz merkwürdiges Gefühl in seinem Bauch. Hunger hat er nicht.
"Gut!" sage ich, "Du würdest auch nichts kriegen! Aber trinken darfst du, soviel du willst!"
"Wer singt da?" fragt er.
"Das wissen wir nicht. Bleib ruhig, das bedeutet keine Gefahr!"
Der Gedanke, daß dieser Singsang eine Gefahr ankündigen könnte, kommt mir eben erst jetzt. Wie die Sirenen dem Odysseus. Aber das ist doch Blödsinn. Ich glaube nicht an Zauberei, und daß dieses Singen etwas mit uns zu tun hat, ist auch extrem unwahrscheinlich, weil es von sehr weit her kommt. Kein Signal, um irgendjemanden vor diesen seltsamen Schiffen zu warnen. - Immerhin, eine Singsprache ist im Prinzip denkbar - ich denke an die Pfeifsprachen, die es in gewissen Gegenden der Welt - unserer Welt da oben - noch gibt, mit denen man sich über sehr große Entfernungen unterhalten kann. Ich steige zu Ochaum, der inzwischen auch auf ist, ins Ruderhaus hinauf. Vielleicht weiß der etwas darüber.
"Was meinst du? Aus welcher Richtung?" frage ich ihn. Er kann es genausowenig festlegen wie alle anderen auch, und von einer Singsprache hat er auch noch nie etwas gehört. Jeder auf den Schiffen glaubt, die Stimme aus einer anderen Richtung zu hören. Die Häufung der Angaben liegt allerdings in Richtung rechts vorne, vielleicht 45 Grad nach Steuerbord relativ zu unserer normalen Fahrtrichtung.
Osont läßt sich kurz auf meinem Schiff sehen. Aber auch er hat keine Idee, was dieses Singen bedeuten könnte.
"Auf dem Saurierfänger" sage ich, "war es nicht üblich, zu singen. Aber wie dem auch sei, vielleicht kommen wir der Quelle dieses Singens noch etwas näher."
"Aber es ist doch eine Frau!" wirft Osont ein. Ich vergaß ganz, daß eine weibliche Stimme bei den Meuterern ganz andere Assoziationen wecken wird als bei mir.
"Deshalb ist es noch lange nicht gefährlich. Wir müssen nur wachsam bleiben!"
Noch vor der üblichen Zeit ist unsere Flottille wieder unterwegs. Immer wieder ist die Stimme zu hören, dann wieder ist für Minuten Stille. Ich kann nicht sagen, ob die, die da singt, damit vorübergehend aufhört, oder ob akustische Beugungsphänomene den Schall mal mehr und mal weniger in unsere Richtung lenken.
Als mein Blick zum wiederholten Male einige der horchenden Männer überfliegt, kommt mir eine Gefahr in den Sinn, an die ich noch gar nicht gedacht habe: Was, wenn jemand von denen Geschmack daran findet, selbst zu singen?
Zuzuhören, wenn unmusikalische Leute sich musikalisch artikulieren wollen, ist die Vorstufe zur Folter! - Ich fürchte, das werde ich auf meinem Schiff nicht zulassen. Ich fürchte, da werde ich ganz egoistisch meine Machtposition ausspielen, wenn jemand es versuchen sollte.
Copyright © Josella Simone Playton
2000-09-15 14:00:00
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