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88. EPILOG

Soweit, so schlecht. Das erste Ziel, nämlich Grom, war erreicht, entgegen allem, was man vernünftigerweise erwarten konnte. Aber das Projekt war noch lange nicht zu Ende. Insbesondere weiterer Verlauf und die spätere Rückkehr waren noch völlig im Dunkeln.

Dazu kam der hohe Preis, den wir bereits gezahlt hatten: Sebastian Colbert und Peer Elderman waren tot. Irene auch. Carola war durchaus noch nicht gesund zu nennen. Dazu das latente Problem Gabi Gohlmann und ihre unklare Motivationslage, die nicht ermöglichte, zu erkennen, was man weiterhin von ihr erwarten konnte. Und der unbekannte Adressat der Direktive q78q99q, von dem wir annehmen mußten, daß dieser jetzt in der Welthöhle aktiv werden würde. Und dessen Anweisungen ihm offenbar freie Hand gaben, mit uns, dem Rest der Expedition, beliebig zu verfahren, wenn es im Sinne seines Auftrages sich als notwendig erweisen sollte.

Als ob ein Aufenthalt in der Welthöhle an sich nicht gefährlich genug wäre!

Dann: Die Bomben. Wer hatte veranlaßt, daß diese an Bord waren, und warum? Hatte das etwas mit der Direktive zu tun? Oder war es Schlamperei der Werft? Niemand von uns wußte es.

Alles in allem Grund, der Zukunft nicht mit übertriebenem Optimismus entgegen zu sehen.

Andererseits: Das Boot war immer noch in Ordnung und die Stimmung stabil. Die bisherigen Beobachtungen versprachen interessanteste Forschungsergebnisse, wenn auch in geradezu klischeehafter Weise mehr Fragen neu aufzutauchen drohten als vermutlich gelöst werden konnten. Zu den ungelösten wissenschaftlichen Problemen kamen andere durch die Andeutungen von Chranchrar hinzu. Was war damals noch auf Casabones geschehen? Wer war Oom? Wo war Oom? Und vielleicht: Was war Oom? Und was konnte es bedeuten, daß eine Granitbeißerin mich als einen der ihren bezeichnet hatte? Bin ich wirklich ein Granitbeißer? Und was macht mich dazu?

Dann: Warum war mir damals Grom so völlig anders beschrieben worden? Ein Irrtum? Eine vorsätzliche Täuschung? Und warum? Auch das müssen wir noch herausfinden.

Langweile drohte jedenfalls nicht.

Und hinter allem, was geschah und geschehen würde, und wahrscheinlich bedeutender als unser persönliches Schicksal stand die Frage, was unser Unternehmen für die Welthöhle und für die Menschheit bedeuten würde. Ob es richtig war, oder ob wir bereits wieder die Grundlagen für ein neues Verbrechen legten, das die Historiker einmal 'Kolonisationsgeschichte' nennen würden. Was hatten wir überhaupt in der Welthöhle verloren?

Der Kopf schwirrt vor so vielen ungelösten Fragen. Kein fester Boden unter den Füßen. Alles ist unsicher. Die ruhenden Pole in meinem Leben und im Leben von anderen sind nicht mehr da. Kein Halt, keine solide Handlungsgrundlage, keine ethischen Axiome. Als ob wir uns nur von den Geschehnissen treiben ließen. Als ob wir gar nicht die Handelnden waren. Unwichtige Statisten in einer Aufführung, von der wir das Drehbuch nicht zu sehen bekamen, sondern nur die phantastische Bühne. Zuwenig, um die Bedeutung des Stückes zu erraten.

Meine Pflicht als Chronist geht natürlich über das Erreichen von Grom hinaus. Weitere Berichte werden folgen. Der Leser wird verstehen, daß es mir schwer fällt, diese Stoffmenge zu Papier zu bringen. Ich fühle mich müde. Ausgelaugt. Deshalb kommt hier ein vorübergehender Abschluß. Eine Zäsur. Natürlich ein bißchen willkürlich. Die Geschichte, wie sie sich wirklich auf der Bühne des Lebens abspielt, hat keine wohlerkennbaren Abschlüsse oder Ziele - seien es Happy-Ends oder Katastrophen. Das Leben geht einfach immer weiter und weiter, und wenn genügend Seiten gefüllt sind, dann nennt man das Ganze ein Buch, und damit basta.

Manchmal habe ich beim Schreiben gedacht: Für wen mache ich das denn? So viele Menschen, die mir etwas bedeutet haben, sind schon tot. Ich glaube nicht daran, daß sie mir von irgendwo über die Schulter sehen. Und trotzdem sind diese Berichte, die, die ich schon geschrieben habe, und die, die noch folgen werden, auch für sie gemacht. Auch wenn sich der Text lediglich mit meinen Erinnerungen mit ihnen trifft. Das ist der Fluch, der auf den Überlebenden lastet.

Deshalb weiß ich jetzt nicht mehr, was ich schreiben soll. Ich habe die Ereignisse beschrieben. Sonst nichts. Sollen andere Bedeutungen herausdestilieren. Vielleicht ist es leichter, wenn in späteren Jahren das alles Geschichte und Allgemeingut geworden ist, was wir in die Wege geleitet haben: Die Eroberung der Welthöhle.

Ich glaube, niemand wird Grund haben, darauf besonders stolz zu sein.

ENDE


Copyright © Josella Simone Playton 2000-09-15 14:00:00



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