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Welthöhle - Projekt CHARMION
Josella Playton
Buch 1: Projekt CHARMION
0. PROLOG
Unglückliche Umstände sind es, die mich zwingen, einen Bericht über die Ereignisse der zweiten Welthöhlenexpedition anzufertigen. Eigentlich wollte ich nie wieder über diese Dinge reden. Aber nichts ist so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Es soll weder eine Rechtfertigung werden, noch ein Versuch, die Schuld an den Umständen, die jetzt latent die Existenz der Menschheit bedrohen, auf andere zu schieben - auch wenn ich, aus meiner Sicht, Grund genug hätte, das zu tun. Ich will einfach nur die Dinge objektiv darstellen - so objektiv, wie es mir als Mitbetroffenen möglich ist.
Zur Vorgeschichte. Am Anfang des Jahres 1996 veröffentlichte ich einen Fantasy-Roman, der am Markt zunächst ein mäßiges Interesse fand, gerade so viel, daß es dem Verlag nicht übermäßig leid tat, diesen Roman herausgegeben zu haben. 'Welthöhle - Die Granitbeißerinnen' beschrieb eine Expedition in ein durch mich und meine Frau am 19. August 1995 durch Zufall entdecktes riesiges Höhlensystem, das große Teile von Mitteleuropa untertunnelt und das eine funktionierende und reichhaltige Biosphäre enthält. Diese Höhle, die der geologischen Forschung bis dahin vollständig entgangen war, bot auch verschiedenen menschlichen Volksgruppen Lebensraum.
Ich beschrieb unsere Erlebnisse unter diesen Menschen und die Dinge, die wir beobachteten. Da es uns gelang, die zivilisierte Welt unter erheblichen Schwierigkeiten wieder zu erreichen, konnte eine protokollarische Beschreibung unserer Erlebnisse gerade als fiktive Reisebeschreibung oder als Abenteuerroman aufgefaßt werden, wenn man deren realen Hintergrund nicht kannte.
Diese fiktive Beschreibung war aber keine Fiktion. Ich muß zugeben, daß ich aus purem wirtschaftlichen Interesse diesen Roman geschrieben habe - wenn es mir wirklich Ernst gewesen wäre, diese völlig abgeschlossene Welt in der Welthöhle vor der Entdeckung durch die zivilisierte Menschheit zu bewahren, dann hätte ich ja den Mund halten können. Daß meine Frau und ich dieses Abenteuer überlebt haben, hätte uns genug sein müssen. Aber nein, ich mußte ja unbedingt unsere Erlebnisse zu Buche geben. Was für ein scheußlicher Bastard diese literarischen Ambitionen sind, dieser Wunsch, der Nachwelt unbedingt etwas zu hinterlassen, wenn es schon nicht selbstgemachte Nachkommen sind!
Ich hätte wissen müssen, daß ich damit nicht davonkommen konnte. Ich hätte wissen müssen, daß es Leser geben würde, die diesen Roman ZU aufmerksam lesen würden.
Es war im Januar 1998, als ich das erste Mal einen dieser zu aufmerksamen Leser zu Gesicht bekam. Aber ich wußte noch nicht, mit wem ich es zu tun hatte.
Hätte ich es gewußt, hätte ich noch am selben Tag mein Land und meinen Kontinent verlassen. Große Verluste wären mir und anderen erspart geblieben.
Zum Stil: Wenn man etwas zum zweiten Mal macht, dann ist der Eindruck nicht mehr ganz so unmittelbar wie bei der Ersterfahrung. Das findet auch in dieser Niederschrift seinen Niederschlag. Während ich in 'Welthöhle - Die Granitbeißerinnen' einen protokollarischen und chronologischen Stil verwendet habe, um ja nichts verfälscht wiederzugeben, sind meine Erinnerungen an den zweiten Aufenthalt in der Welthöhle teilweise weniger dicht. Für solche Dinge verwende ich einen mehr erzählenden und zusammenfassenden Stil, meistens im grammatischen Tempus der Vergangenheit. Die Erlebnisse, die ich genauer erzählen muß, werden in der Gegenwart erzählt - wie in den 'Granitbeißerinnen'. Vorwärts- und Rückwärtsverweise kommen dieses Mal vor, einfach aus dem Grunde, daß ich diesmal den Roman unter mehr Zeitdruck schrieb - es geht aus ihm deutlich genug hervor, warum das so ist.
Diesmal, auf der zweiten Welthöhlenexpedition, wurde auch viel in Englisch gesprochen, besonders an Bord. Das erwähne ich nur dort, wo es notwendig ist, die Dialoge gebe ich aber durchweg in Deutsch wieder. Meistens weiß ich auch gar nicht mehr, welche Sprache oder welchen Sprachmix wir nun wann verwendet haben, und ich habe nicht mehr die Zeit, es herauszufinden.
Ungenauigkeiten und Widersprüche, wo sie auftreten sollten, sind meiner mangelnden Erinnerungsfähigkeit zuzuschreiben. Daß ich in den Besprechungen mehr als viele andere geredet habe, entspricht wahrscheinlich den Tatsachen.
Genaugenommen schreibe ich um mein Leben. Bei den 'Granitbeißerinnen' war es noch egal - aber dieser Roman MUSS auf den Markt. Sonst wird man mich und einige andere überlebende Teilnehmer der zweiten Welthöhlenexpedition in den nächsten Jahren ganz unauffällig liquidieren.
Und dieser Roman muß auf den Markt, damit die Welthöhle eine Legende und nichts anderes als eine Legende bleibt. Für immer.
In Erinnerung an Irene und an die 16943 Tage, die ihr zu leben vergönnt waren. Ich werde sie nicht vergessen.
Copyright © Josella Simone Playton
2000-09-15 14:00:00
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